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Bilanz eines Depridemie-Jahres (22.11.20)
Die zwischendurch auf dieser Website veröffentlichten "Wasserstands-Meldungen" ließen es schon erahnen: Diese Granfondo-Saison war sicher die deprimierendste und miserabelste der jüngeren Geschichte. Nur vor Jahrzehnten, als die Idee der Granfondos noch in den Kinderschuhen steckte, gab es eine Zeit, in der weniger Veranstaltungen stattfanden. Nach Recherche von mgf wurden fast 90 Prozent der ursprünglich für 2020 geplanten Granfondos abgesagt.
Wirklich exakte Zahlen sind kaum möglich, weil die im www verfügbaren Veranstaltungskalender ständig überarbeitet wurden und bei der Flut von Absagen am Ende wohl keiner mehr den Überblick behalten hat. Manche Granfondos werden in einer Liste unter "abgesagt" geführt, dabei findet sich andernorts ein Ergebnis. Und es gibt auch umgekehrte Fälle.
Ausgewertet hat mgf fünf verschiedene Quellen (siehe Spalte rechts), die in Summe 24 stattgefundene Granfondos ergaben. Das bedeutet einen Rückgang um 88 Prozent gegenüber 2019 – wenn man für das Vorjahr die 196 Veranstaltungen ansetzt, die bei Dalzero.it am Saisonbeginn gelistet wurden oder die 190, die diciclodinews.it am Saisonende gezählt hatte. Angesichts der bei der aktuellen Recherche festgestellten Lücken lag die Zahl der Veranstaltungen 2019 wohl eher ein Stück über 200, die Ausfallquote ändert sich dadurch jedoch kaum. Das Diagramm rechts zeigt den dramatischen Einbruch als Folge der Corona-Krise.
Im Sommer hatte es noch nicht ganz so schlecht ausgesehen, da standen noch 82 Granfondos im Kalender, was nur einen Rückgang um knapp 60 Prozent bedeutet hätte. Aber dann wurden nach und nach rund drei Viertel der ab August geplanten Veranstaltungen mehr oder weniger kurzfristig abgesagt. Hätten alle für diese Monate geplanten oder dorthin verschobenen Granfondos stattgefunden, wären im September/Oktober soviele Veranstaltungen über die Bühne gegangen wie sonst nur im April/Mai (im Diagramm gestrichelt dargestellt).
Erschwerte Bedingungen für Großveranstaltungen
Über die Gründe für die vielen Absagen, meist schon lange vor dem erneuten Ansteigen der Infektionszahlen in Italien, lässt sich nur spekulieren, mgf sieht mehrere Ursachen:
- Die Politik hatte in Italien alle größeren Veranstaltungen bis Juni 2020 verboten und brauchte viel zu lange, um zu entscheiden, welche Veranstaltungen unter welchen Bedingungen zulässig sein würden. Für die Vorbereitung eines Granfondos braucht es aber ein Mindestmaß an Planungsssicherheit, für die Organisatoren und die Teilnehmer, und das gab es lange nicht. Ende Juni gab es immer noch keinen Plan, wie es weitergehen sollte. So lief vielen Veranstaltern wohl schlicht die Zeit davon.
- Der italienische Radsportverband F.C.I. hatte zwar ein "Covid-19-Protokoll" mit Regeln für Granfondos veröffentlicht, aber irgendwie kam das nicht bei allen Veranstaltern an, siehe Spalte rechts. Das Durcheinander von Regeln und Formularen dürfte wohl viele potentielle Starter abgeschreckt haben. Der bisher größte Granfondo der "Nach-Corona-Zeit", der Granfondo Colnago (04.10.), kam auf nur 1.135 Starter, siehe Spalte rechts. Sein umfangreiches Hygiene-Konzept war sicher nur mit sehr viel Mühe und Aufwand realisierbar, die andernorts gescheut wurden. Der Granfondo Colnago ist ein wichtiges, positives Beispiel und Vorbild, dass auch größere Veranstaltungen trotz Corona-Virus möglich sind, ohne zum "Super-Spreader-Event" zu werden (Berichte über im Zusammenhang mit Granfondos erfolgte Covid-Infektionen hat mgf im www keine gefunden).
- Bei Veranstaltungen, die zum Zeitpunkt der Absage noch keine zufriedenstellende Anmeldungszahl erreicht hatten, war die Zurückhaltung der potentiellen Teilnehmer sicher ein Hauptgrund für die Entscheidung: Wenn man mehr Aufwand treiben muss und zu wenige Anmeldungen hat, ist eine Absage die sicherste Lösung. Erstaunlicherweise verhielten sich nicht nur potentielle Starter aus dem Ausland vorsichtig abwartend, sondern auch die Italiener selbst. Auch Veranstaltungen, bei denen viele Starter ohne Übernachtung hätten teilnehmen können, verzeichneten nur geringen Zuspruch: Beim Granfondo Colnago etwa trat die Hälfte der angemeldeten Teilnehmer gar nicht zum Start an, 89 Prozent waren Italiener. Unter den 1.135 "Finishern" lag die italienische Quote erwartungsgemäß höher, bei 94 Prozent.
Dass die Vorsicht, zumindest für deutsche Granfondo-Fans, nicht ganz unberechtigt war, zeigte sich im Oktober: Da Granfondos erst wieder stattfanden, als die Infektionszahlen durch Reiserückkehrer in allen europäischen Ländern bereits wieder anstiegen, erhöhte sich das Risiko für Einschränkungen nach der Rückreise: Der einzige deutsche Teilnehmer am Gran Fondo Alassio (18.10.) musste nach der Rückkehr bis zum Vorliegen eines negativen Testergebnisses in Quarantäne, weil Ligurien ab 17.10. vom Robert Koch Institut zum Risikogebiet erklärt wurde. Teilnehmern am Granfondo Garda Bottecchia (25.10.) wäre es genauso ergangen (das Veneto war ab 22.10. Risikogebiet), wenn die Veranstaltung nicht ein paar Tage vorher abgesagt worden wäre.
Alternativen mit weniger Teilnehmern
Der schnellere Restart gelang Veranstaltungen abseits des Granfondo-Formats: Bereits Ende Juni / Anfang Juli wurde die Serie "Game Center for Bike" veranstaltet – auf der nahe Rom gelegenen Auto-Rennstrecke Vallelunga. Später, im September, fand auf dem berühmten Autodrom bei Mailand der Monza 12h Cycling Marathon statt, der mit einer besonderen Offerte auffiel: für Ärzte und Klinikpersonal war die Teilnahme frei! Ebenfalls auf einer Rundstrecke, allerdings nur als Kriterium, verlief die treffend getaufte "Coppa Post Covid 2020" auf Sizilien, immerhin 114 Teilnehmer absolvierten die 20 Runden auf dem nur 2,3 km langen Kurs.
Andere Veranstalter setzten auf Zeitfahren und Bergzeitfahren. So fand in Verona bereits am 28.06. die Scalata Delle Torricelle statt. Die Organisatoren des Granfondo Alè la Merckx (2.072 Starter im Vorjahr) hatten dieses Bergzeitfahren jedoch offenbar nicht groß kommuniziert, sonst wären sicher mehr als nur 22 Teilnehmer am Start gestanden. Viermal so viele Teilnehmer hatte die La Medievale - Cronoscalata, Ersatz für den abgesagten Granfondo La Medievale, sie war damit das zweitgrößte Zeitfahren der mgf-Recherche, siehe Spalte rechts.
Erheblich mehr Teilnehmer zogen Veranstaltungen an, die als Ersatz für den Granfondo auf eine Cicloturistica (ähnlich der deutschen RTF) setzten. Statt des Granfondo Nove Colli im Mai gab es am 18.10. die Cicloturistica Sulle strade della Nove Colli mit immerhin 650 Teilnehmern. Die Nova Eroica fand am ursprünglichen Termin 25.10. statt, verzichtete jedoch heuer auf die Zeitnahme – und kam dennoch auf 575 Starter, was eine Verdoppelung gegenüber 2019 bedeutet.
Auch bei diesen Veranstaltungen standen Teilnehmer aus Deutschland nach ihrer Rückkehr vor einem Problem: Die Toscana wurde drei Tage vor dem Start der Nova Eroica zum Risikogebiet erklärt. Teilnehmer der Cicloturistica Nove Colli gerieten in eine kuriose Situation: Bis vier Tage nach der Veranstaltung durften sie sich in Deutschland frei bewegen, dann wurde auch die Emilia Romagna zum Risikogebiet – das bedeutete nach den Regeln des Robert Koch Instituts noch mindestens 10 Tage Quarantäne, die vermutlich kaum einer einhielt. Innerhalb Deutschlands durfte man ja auch frei von einem Risikogebiet ins nächste fahren...
Nicht nur geringere Veranstaltungszahlen
Der Cicloturistica-Erfolg zeigt: Anscheinend fiel vielen Granfondo-Fans der Verzicht auf eine Zeitnahme leichter als die Umstellung auf ein völlig anderes Format, mit kürzeren Strecken. Auch manche der stattfindenden Granfondos reduzierten die Streckenlänge, teilweise gab es nur eine einzige Strecken-Variante. Das war auch beim ersten echten Granfondo nach Aufhebung der Beschränkungen so, dem Granfondo Luca Avesani am 06.09. in Verona. Bei keiner der Veranstaltungen, die im September und Oktober noch stattfanden, wurde die Teilnehmerzahl des Vorjahrs erreicht, siehe Übersicht in Spalte rechts.
Dies – und die Tatsache, dass heuer insbesondere die großen Granfondos abgesagt wurden – führte dazu, dass der Rückgang bei den Teilnehmer-Zahlen noch stärker ausfiel als bei den durchgeführten Veranstaltungen. Während diciclodinews.it 2019 noch insgesamt 121.344 Teilnehmer zählt, ergab die mgf-Recherche für 2020 (deren Ergebnis umfangreicher ausfiel als die von diciclodinews.it 2020) nur 8.044 Teilnehmer. Das ist ein Rückgang um mindestens 93 Prozent! Den dramatischen Einbruch verdeutlicht ein Vergleich: Im Vorjahr gab es in Italien zwei Granfondos, bei denen jeweils an nur einem Tag mehr Fahrer auf der Straße waren, als bei der Summe aller Granfondos des Jahres 2020!
Damit hat die Corona-Krise die Granfondo-Szene viel härter getroffen als andere Bereiche, selbst Tourismus und Kultursektor hatten in Italien sicher bessere Umsatz- und Besucherzahlen. Dennoch muss man sich, anders als um die letztgenannten Bereiche, um das Überleben der Granfondos keine so großen Sorgen machen. Die meisten Granfondos in Italien werden von Vereinen organisiert, deren Überleben kaum durch den Ausfall von ein paar Veranstaltungen gefährdet sein wird.
In anderen Ländern, wo große Event-Agenturen auf professionell veranstaltete Großereignisse angewiesen sind, mag das sicher etwas anders aussehen. Aber in Italien werden die Vereine mit viel Passion und Engagement wieder aktiv werden, sobald das möglich ist. Die Sponsor-Gelder werden wohl nicht mehr so fließen wie bisher, mancher Granfondo wird dann wieder in kleinerem, einfacherem Rahmen stattfinden. Aber das Überleben ist nicht gefährdet, die Vereine sind die Basis dafür.
Härter treffen wird es dagegen die Dienstleister, insbesondere im hoch spezialisierten Bereich der Zeitnahme und Auswertung. Diese arbeiten zwar nach Einschätzung von mgf viel mit Gelegenheits-Jobern, die nur am Veranstaltungswochenende zum Einsatz kommen, aber das Kernpersonal wird sicherlich hauptberuflich tätig sein. Hoffentlich kommen diese Dienstleister einigermaßen heil durch die Krise, ohne dass Know-How verloren geht. Aber auch mit einer etwas weniger professionellen Zeitnahme wird ein Neustart gelingen.
Quo vadis 2021?
Inzwischen ist klar, dass uns das Corona-Virus viel länger beschäftigen und einschränken wird, als zunächst gedacht und erhofft. Die 2020 durchgeführten Veranstaltungen lassen erahnen, wie es im nächsten Jahr weitergehen wird:
- Ohne "Covid-19-Protokoll" wird auf absehbare Zeit kein Granfondo auskommen. Aber 2021 werden die "AHA"-Regeln für die meisten Teilnehmer im Alltag sicher längst Routine geworden sein.
- Die großen Veranstaltungen, insbesondere wenn sie früh im Jahr stattfinden, erscheinen dadurch trotzdem gefährdet: Wie soll man bei 10.000 oder auch nur 3.000 Teilnehmern sicherstellen, dass sich alle an die Vorschriften halten? Oft wird es schon schlicht am Platz fehlen, um den nötigen Abstand bei der Startnummernausgabe, in der Startaufstellung oder im Zielbereich einhalten zu können. Ein über mehrere Stunden in Blöcken gestaffelter Start könnte eine Lösung sein, die Aufteilung auf mehrere Tage dagegen (mit für den übrigen Verkehr gesperrten Straßen) wohl kaum.
- Möglicherweise werden daher 2021 viele Granfondos über das Covid-Protokoll hinaus auch an ihrem Kern, dem eigentlichen "Rennen", Änderungen vornehmen. Das können die heuer schon festgestellten Reduzierungen bei Streckenlänge und -varianten sein, oder auch die Umstellung auf eine partielle Zeitnahme, die ein Starterfeld erheblich entzerren kann (auch wenn dadurch der Charakter eines klassischen Rennens verloren geht).
- Die Teilnehmerzahlen werden wohl nicht so schnell wieder das Niveau der Vor-Corona-Zeit erreichen, selbst wenn manche Veranstalter großzügige Umbuchungs-Möglichkeiten wie im März 2020 anbieten sollten. Die mit "Covid-Protokollen" verbundenen Unsicherheiten und Einschränkungen dürften viele von einer Teilnahme abhalten, siehe Spalte rechts.
- 2021 wird es dennoch wieder mehr Granfondos geben als 2020. Die heuer durchgeführten Veranstaltungen waren als positives Zeichen und Vorbild wichtig, um den bisher vorsichtigen und zögerlichen Veranstaltern zu zeigen, was möglich ist. Das wird zwar für manche Organisatoren noch nicht genug sein, um sich für die Durchführung ihres Granfondo zu entscheiden. Aber weil jetzt viel mehr Zeit zur Vorbereitung bleibt und viele Verhaltensregeln nach diesem Winter (hoffentlich) überall zur Routine gehören werden, dürften 2021 dennoch mehr Veranstalter aktiv sein.
Wirklich entspannen wird sich die Situation sicher erst, wenn die Epidemie durch flächendeckene Impf-Aktionen eingedämmt worden ist – und dieser Zeitpunkt ist derzeit noch nicht seriös abschätzbar. Auch wenn 2021 noch keine normale Granfondo-Saison werden wird, darf man doch verhalten optimistisch sein. Denn nach dem Durchfahren des tiefen, sechs Monate langen Tals 2020 kann es mit den Granfondo-Zahlen jetzt eigentlich nur noch aufwärts gehen!
In diesem Sinne: bleibt gesund und haltet euch fit, für ein sicher wieder aktiveres Granfondo-Jahr 2021!
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Ein trauriger Anblick: Während die Veranstaltungszahlen des Vorjahrs noch wie das Höhenprofil eines Mediofondos im Gebirge wirken, sehen die Zahlen im Corona-Jahr eher wie eine Cicloturistica im Flachland aus...
Die Bilanz im Detail
Die Zahl der Granfondos (insgesamt nur 24) und Teilnehmer (insgesamt nur 8.044) war heuer ziemlich überschaubar. Die blau markierten Veranstaltungen fanden noch vor dem Anfang März verfügten ersten "Lockdown" statt:
Granfondos 2020......................Teiln. 2020..2019 Gran Fondo Laigueglia-Lapierre..............1294..1504 Granfondo Colnago...........................1135..3014 Prosecco Cycling.............................939..1754 Granfondo dell'Amore - Città di Terni........600...545 Granfondo Città di Loano.....................444...449 Fondo Molisana...............................375 Mediofondo Vetralla - Il Colonnello..........373...398 Granfondo Del Po.............................342..1149 Granfondo Internazionale Alassio.............303...387 Granfondo Luca Avesani.......................303...455 Gran Fondo Andora............................298 Granfondo Ceriale............................267...384 Gran Fondo On Energy.........................221...386 GF Roccasecca – Memorial P. Cardellino.......150...254 GiroSardegna (6 Etappen).....................130...379 Trofeo Avis Pradipozzo.......................129 Piccolo Giro di Romagna (2 Etappen)..........127 Ricordando Marco Pantani.....................107 GF Città di Porto Sant'Elpidio (S. Garzelli) 107...133 Granfondo Campania............................82...387 Trittico di Montemarcello.....................65 Giro delle Miniere (4 Etappen)................54 Granfondo dei Tre Santuari del Fermano........27....49
Auffällig ist, dass die Region Nord in der "Post-Covid-Zeit" mit 9:5 klar vor der Region Mitte liegt, die 2019 die veranstaltungsreichste Region war. Vielleicht tat man sich im straffer organisierten, weniger improvisationsfreudigen Norden leichter, die komplizierten Vorgaben von Behörden und Verband umzusetzen. Oder man hatte schlicht ein dickeres finanzielles Polster, um die erhöhten Kosten zu stemmen...
Bei den nach dem "Lockdown" geplanten Granfondos (im Diagramm gestrichelt dargestellt) lagen die Regionen Mitte und Nord fast gleichauf, in der Mitte wurden jedoch 83% der Granfondos abgesagt, im Norden "nur" 68%. Im Süden waren wie immer weniger Veranstaltungen geplant, dafür wurde nur die Hälfte abgesagt.
Die obige Liste basiert auf fünf Hauptquellen:
Die Auswertung von mgf enthält möglicherweise den einen oder anderen Fehler, denn sie wurde durch das diesjährige Termin-Chaos teilweise erschwert: Zum Beispiel meldet der Granfondo Maratona del Matesannio auf seiner offiziellen Website die Verschiebung auf 2021, dennoch erscheint die Veranstaltung in der Liste von diciclodinews.it – tatsächlich wurde als Ersatz offenbar nur die "Cronoscalata al Castello Medioevale" angeboten, was jedoch nur auf der Facebook-Seite des Veranstalters kommunziert wurde.
Auch mancher andere Granfondo-Veranstalter bot als Ersatz ein Einzelzeitfahren oder eine "Cicloturistica" an. Vermutlich erhöhte sich dadurch heuer die Vielfalt der Radsportveranstaltungen in Italien. Unten eine Auswahl für die Zeit zwischen den "Lockdowns". Veranstaltungen, die schon immer als Cicloturistica stattfinden, wie z.B. die Eroica Montalcino (heuer 967 Teilnehmer), wurden nicht erfasst.
Weitere "Post-Corona-Veranstaltungen"........Teiln. Cicloturistica Sulle strade della Nove Colli...650 Nova Eroica (Cicloturistica)...................575 Coppa Crono Porte Garofoli.....................183 Monza 12h Cycling Marathon (Rennstrecke).......172 Coppa Post Covid 2020 (Kriterium)..............114 Crono Pissarotta................................96 La Medievale - Cronoscalata.....................88 Cronoscalata Alè - Salita Della Pendola.........74 Game Center for Bike - VII-II (Rennstrecke).....53 Game Center for Bike - VII-I (Rennstrecke)......46 Cronoscalata al Castello Medioevale.............32 Game Center for Bike - Prologo (Rennstrecke)....27 Scalata Delle Torricelle (Alè)..................22
Granfondos mit "Covid-Protokoll": Chaos wie im richtigen Leben
Der italienischen Landesverband F.C.I. veröffentlichte bereits im Mai ein "Covid-19-Protokoll", als Leitfaden für Hygiene-Maßnahmen im Radsport während der Dauer der Corona-Epidemie. Die Vorschriften waren jedoch eindeutig für örtlich begrenzte Veranstaltungen mit wenigen Teilnehmern gedacht – zum Beispiel für das Training auf einer Radrennbahn. Bei Granfondos sind viele der darin geforderten Maßnahmen praktisch nicht umsetzbar (so soll während des Wettbewerbs ein seitlicher Abstand von zwei Metern eingehalten werden, sowie mindestens 20 Meter zum Vordermann). Obwohl ein Teil der Regeln für Granfondos völliger Unsinn ist, übernahmen einige Veranstalter das Original-Dokument eiskalt als Anhang ihrer Regeln!
Offenbar geht es manchen Organisatoren wie vielen Menschen im Corona-Alltag: Bei der verwirrenden Vielzahl von sich ständig ändernden Regeln verliert man leicht den Überblick. Tatsächlich veröffentlichte die FCI später weitere Regeln für Straßen-Rennen und auch Regeln für Granfondos – die viel praktikabler sind. Der Granfondo Colnago erstellte auf deren Basis ein neunseitiges Dokument, das die Details in Wort und Bild erläutert. Dennoch wird manchmal nicht klar, wie man sich verhalten soll – zum Beispiel an den Verpflegungsstellen.
Während der Granfondo Colnago für sein ausführliches "Covid-Protokoll" über 6.000 Zeichen benötigte, reichten dem Monza 12h Cycling Marathon knapp 900 Zeichen für ein "Covid-Flugblatt", das nur die wichtigsten Hinweise enthielt – was aber ausreichen kann, wenn vor Ort alles klar geregelt und beschildert ist.
Den aus Sicht von mgf besten Weg wählte Prosecco Cycling. Dieses Covid-Protokoll (das es leider nicht als Datei gibt, nur als "pop-up" auf der Einstiegsseite) ist fast so umfangreich wie beim Granfondo Colnago, enthält jedoch nur sinnvolle Grafiken und lässt keine Fragen offen – hier sieht man, wie es auch an den Verpflegungsstellen am Gardasee ablaufen sollte.
Im Dschungel der Covid-Selbsterklärungen
Bei allen "Post-Covid-Granfondos" wurde – zusätzlich zu den bisher schon üblichen Papieren – eine Selbsterklärung zum aktuellen persönlichen Gesundheitszustand gefordert, in der jeder Teilnehmer versichert, dass er gesund ist. Auch bei diesem Formular verwendeten die Veranstalter unterschiedliche Versionen – deren Anforderungen sich merkwürdig gegensätzlich zum jeweiligen "Covid-Protokoll" verhielten. Noch merkwürdiger: Die Vorlage der FCI, die allgemein verständlich ist und klare Fragen enthält, nutzte offenbar kein Veranstalter.
Der Granfondo Alassio, der sich auf das restriktive FCI-Bahnsport-Protokoll berief, reduzierte die FCI-Version auf eine Bestätigung, dass keine Covid-19-Infektion diagnostiziert wurde, man in den letzten 14 Tagen keinen Kontakt zu Infizierten hatte und "in den letzten Wochen" keines von acht gelisteten Symptomen, die jedoch in medizinischem Kauderwelsch verschlüsselt wurden.
Das erweiterte Formular von Prosecco Cycling forderte zusätzlich vom Teilnehmer, dass er selbst seine Körpertemperatur messen muss (Die FCI sieht für Temperatur-Messungen nur Stichproben bei der Einfahrt in die Startaufstellung vor) und – wie die FCI auch – eine explizite Bestätigung, dass er sich der strafrechtlichen Konsequenzen im Falle falscher Angaben bewusst ist.
Beim Granfondo Colnago musste man (von der FCI nicht vorgesehen) unter anderem erklären, dass man in den letzten zwei Wochen in keinem Risikogebiet war und beim plötzlichen Auftreten von Symptomen während des Granfondos die Veranstaltung sofort verlassen wird. Da sollte man bei der Verpflegung nicht zu hastig agieren: wer sich verschluckt und husten muss, könnte sonst Gefahr laufen, aus dem Verkehr gezogen zu werden!
Die aus Sicht von mgf weitreichendste Selbsterklärung forderte ausgerechnet der Monza 12h Cycling Marathon, der mit den kürzesten Covid-Regeln auffiel. In der Erklärung von Monza wurde nicht nur gefordert, dass man in den letzten 14 Tagen keine Covid-19-Symptome hatte, "einschließlich, aber nicht beschränkt auf" die von der FCI genannten Symptome – sondern auch, dass man sich in diesem Zeitraum nur mit Personen getroffen hat, für die das auch gilt. Wie soll man wissen, ob eine Kontaktperson Symptome wie Müdigkeit, Atembeschwerden, Muskelschmerzen, Geschmacks-/Geruchsveränderungen, 38 °C Körpertemperatur hatte, sowie weitere undefinierte? Diese Erklärung kann niemand ehrlich unterschreiben.
Dafür fragte Monza 12h Cycling Marathon bei den Risikogebieten nur nach vier europäischen Ländern, obwohl Anfang September schon überall in Europa weitere "Hotspots" entstanden waren, vom Rest der Welt mal ganz abgesehen. Auch in Deutschland gab es Anfang September einige Risikogebiete, Mitte Oktober waren es schon Dutzende von Landkreisen. Unklar ist allerdings, ob bei der Bewertung Landkreise oder Bundesländer zählten. Und wer kann bei der Anmeldung, Wochen vor der Veranstaltung, schon abschätzen, wie sich die Infektionszahlen seiner Heimat entwickeln werden?
Jede dieser Selbsterklärungen – die leider alle, ebenso wie fast alle Covid-Protokolle, nur in italienischer Sprache verfügbar waren – kann problematisch werden: Wer kurz vor der Veranstaltung eines der vielen diffusen Symptome hat (was bei einer weniger robusten Konstitution oder Anreise-Stress leicht passieren kann und mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit nichts mit Covid-19 zu tun hat), darf das Papier nicht unterschreiben und muss auf den Start verzichten. Einem Teil der vielen beim Granfondo Colnago nicht gestarteten Teilnehmer könnte das passiert sein.
Die umfangreichen Regeln und ihre schwer abschätzbaren Folgen erklären auch das relativ niedrige Interesse an den "Post-Covid-Granfondos". Wer die Regeln ernst nimmt, muss (je nach Gusto der Veranstaltung) Fieber messen, bis zum Start die aktuelle Listen der Risikogebiete von verschiedenen italienischen Behörden verfolgen und darf bei Symptomen nicht teilnehmen, selbst wenn er ein nur wenige Tage altes, negatives Testergebnis vorweisen kann. Und im Fall des Falles erhält man vermutlich weder Startgeld noch Hotelanzahlung zurück.
Die vielen Unsicherheiten bei Terminen, Formalien und die deutschen Regeln für Reisende (die mittlerweile sogar rückwirkend gelten, wenn das Urlaubsgebiet erst nach der Rückkehr zum Risikogebiet wurde) waren – neben dem Wunsch, das Infektionsrisiko zu minimieren – für mgf der Grund, 2020 komplett auf Granfondos zu verzichten. Und selbst in Italien dachten viele Granfondisti wohl genauso...
Zum Schluss noch eine Übersicht der mgf-Beiträge 2020 zur Corona-Krise:
10.03. -> Coronavirus stoppt Granfondos
15.03. -> Immer mehr Granfondo-Absagen
31.03. -> Ein verlorenes Jahr durch Corona?
31.03. -> Reglement-Check vor Granfondo-Absage
18.04. -> Das alles dauert wohl noch etwas länger...
21.05. -> Offene Grenzen in Sicht
26.06. -> Die "Coronafondos"
20.07. -> Rad-Urlaub in Corona-Zeiten
11.10. -> Vorläufige Corona-Bilanz
Vermutlich wird sich auch im nächsten Jahr noch der eine oder andere Beitrag mit diesem Thema beschäftigen müssen – aber es werden sicher weniger!
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