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Chip, Chip, Hurra!? (29.01.18)
Die Zeitnahme per Chip (Transponder) ist bei Granfondos südlich der Alpen seit vielen Jahren Standard, ebenso wie im Norden bei Radmarathons mit Zeitnahme. Eine Besonderheit in Italien ist jedoch, dass es dort zwei verschiedene Arten von Chips gibt: Leih-Chips und persönliche Chips, wie bei den Themen Anmeldung und Checkliste bereits erwähnt. Noch zu klären wäre: Welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen Chips in der Granfondo-Praxis? Und welcher Chip ist für "stranieri" zu empfehlen?
Persönliche Chips gibt es im deutschsprachigen Raum eher im Laufsport und beim Triathlon, im Bereich des Radsport startete erst 2012 ein BDR-Pilotprojekt in Baden. In Italien sind dagegen persönliche Chips im Radsport schon viel länger üblich, aus verschiedenen Gründen:
Die italienische Granfondo-Szene mit ihrer großen Vielfalt ist so aktiv wie hierzulande der RTF-Bereich. Auch wenn mgf keine genauen Daten hat, dürfte der Anteil der Fahrer, die es jedes Jahr auf eine zweistellige Zahl von Granfondos bringen, ziemlich hoch sein. Für Viel-Fahrer ist ein persönlicher Chip besonders interessant, deshalb ist in Italien (anders als hierzulande) eine ausreichende Nachfrage für diese spezielle Dienstleistung vorhanden.
Bei fast allen italienischen Granfondos (geschätzt rund 90 Prozent) werden Transponder-Systeme verwendet, die persönliche Chips zulassen. Diesen Markt teilen sich nur zwei verschiedene Chip-Hersteller. Deshalb ist ein Granfondo-Fahrer mit zwei persönlichen Chips für praktisch alle Veranstaltungen gerüstet, einen Leih-Chip muss er nur selten verwenden (nur, wo dieser sowieso für alle Teilnehmer obligatorisch ist).
Eine Granfondo-Szene - zwei Chip-Systeme
Die beiden konkurrierenden Transponder-Systeme in Italien sind "ChampionChip" und "WinningTime". Beide Systeme werden jeweils von mehreren Zeitnahme-Dienstleistern verwendet: ChampionChip vor allem von SDAM; WinningTime vor allem von SMS Sport und Kronoservice.
Die beiden Chip-Systeme sind nicht kompatibel, man benötigt jeweils den zum Transponder-System der Zeitnahme passenden Chip. Welcher das ist, sollte dem Reglement des Granfondos zu entnehmen sein.
Von den in der Granfondo-Liste von mgf genannten italienischen Veranstaltungen verwendet die Hälfte ChampionChip, ein Drittel WinningTime, ein Sechstel ein anderes oder unbekanntes Chip-System. Bei kleineren Granfondos scheint WinningTime öfter vertreten. Detailliertere Daten hat mgf nicht recherchiert, aber vermutlich dürfte die Gesamtzahl der Granfondos bei beiden Chip-Systemen ähnlich sein.
Die Befestigung am Rad ist bei den beiden Chip-Systemen etwas unterschiedlich gelöst, siehe Bilder rechts. WinningTime hat seit 2017 eine Optik fast wie bei den Profis.
Die Kostenfrage: welcher Chip ist günstiger?
Für die Leih-Chips von ChampionChip und WinningTime ergab eine Stichproben-Recherche von mgf keine Preisunterschiede. Die Leihgebühr beträgt bei allen betrachteten Granfondos jeweils 5 Euro, plus 10 Euro Pfand, die bei Rückgabe des Transponders erstattet werden.
Der Verkauf von persönlichen ChampionChips erfolgt in Italien über SDAM, der von persönlichen WinningTime-Chips über SMS Sport. Der Kauf ist online möglich, aber für Ausländer empfiehlt sich der Erwerb eines persönlichen Chips eher vor Ort, bei einem Granfondo. Preislich gibt es kaum Unterschiede:
Der "A-Chip" von SDAM/ChampionChip und der "Chip Personale Giallo" von SMS-Sport/WinningTime kosten jeweils 15 Euro, darin enthalten ist die Aktivierung für ein Kalenderjahr. Für die Verlängerung werden pro Jahr weitere 10 Euro fällig. Die Aktivierung kann online über die Website des Zeitnahme-Dienstleister erfolgen oder vor Ort bei einem Granfondo. Mal ein Jahr zu pausieren, sollte kein Problem sein (wurde von mgf aber nicht verifiziert).
Ein besonderes Extra genießen die Teilnehmer des Granfondo Nove Colli: Hier ist ein persönlicher WinningTime-Chip im Rennpaket enthalten. Wer mit den Nove Colli in die Saison startet, kann diesen Chip für den Rest des Jahres bei allen Granfondos mit WinningTime-Zeitnahme verwenden (und ihn vermutlich auch für das nächste Jahr verlängern, auch wenn er nicht die Nove Colli fährt).
Bei SDAM/ChampionChip gibt es alternativ auch noch den persönlichen "YellowChip". Dieser kostet 30 Euro und ist international verwendbar (z.B. in der Schweiz) und dauerhaft aktiviert, eine jährliche Verlängerung ist nicht erforderlich.
Fazit: Ein persönlicher Chip ist günstiger als ein Leih-Chip, wenn mit einem Chip-System innerhalb von zwei Jahren mehr als fünf Veranstaltungen bestritten werden.
Dies dürfte vermutlich auf fast alle italienischen Granfondo-Fahrer zutreffen und auf so manchen Ausländer. Aber auch für nur gelegentlich in Italien aktive Radsportler kann das Kosten-Nutzen-Verhältnis die Investition rechtfertigen - denn schließlich ist der "Luxus" eines persönlichen Chips relativ günstig zu haben.
Alle mit einem persönlichen Chip verbundenen Aktionen - Kauf, Verlängerung der Gültigkeit, eventuell Daten-Änderung - können im Rahmen eines Granfondos vor Ort erledigt werden, am Stand des Zeitnahme-Dienstleisters, der oft mit "Punto Chip" gekennzeichnet ist. Dort erfolgen auch Ausgabe, Bezahlung und Aktivierung der Leih-Chips.
Das ChampionChip-System wird auch in Deutschland verwendet (vor allem im Laufsport). Ein bereits vorhandener ChampionChip kann evtl. in Italien genutzt werden - bei Bedarf am besten vor Ort am "Punto Chip" des Granfondos klären.
Ein persönlicher Chip kann an einen anderen Fahrer weitergegeben oder verkauft werden, dann ist allerdings eine Korrektur der Daten beim Zeitnahme-Dienstleister erforderlich.
Die Bilanz: Pro und Contra persönlicher Chip
Vorteile des persönlichen Chips sind:
- Geringere Kosten für Viel-Fahrer (siehe oben).
- Weniger Stress vor und nach dem Granfondo. Man spart die Zeit für Abholung und Rückgabe des Leih-Chips. Die Rückgabe erfolgt bei vielen Granfondos nicht direkt im Zielbereich, sondern an einem anderswo eingerichteten Punkt, der manchmal schwer zu finden ist. Auch bei (sehr) später Zielankunft oder einem Abbruch durch Unfall oder Aufgabe kann die Rückgabe eines Leih-Chips zum Problem werden. Dann ist Rücksendung per Post nötig, um weitere Strafzahlungen zu vermeiden.
- Möglichkeit zur individuellen Montage und Gestaltung, die das "i-Tüpfelchen" zu einem professionellen Gesamtauftritt sein kann - wenn auch das Rad und das restliche Outfit dazu passen...
Nachteile des persönlichen Chips sind:
- Wer nur einen Chip besitzt, könnte sich davon eventuell bei der Auswahl seines Granfondo-Programms beeinflussen lassen - auch wenn die geringe Leihgebühr eigentlich kein Grund sein sollte, sich auf die Hälfte der Granfondo-Welt zu beschränken.
- Für Selten-Fahrer besteht das (geringe) Risiko, dass die Chip-Version gewechselt wird, bevor die Kosten amortisiert sind. Jeder der beiden großen Anbieter hat sein Chip-System bereits mindestens einmal umgestellt. WinningTime änderte das System 2017 komplett, bei SDAM/ChampionChip gab es 2012 eine neue Chip-Konfiguration bei identischer Optik. Die älteren Chips konnten danach jeweils nicht mehr verwendet werden (der alte, von mgf 2007 gekaufte SDAM-"BlueChip" z.B. war 2010 gerade erst "abgezahlt").
Je nach Situation positiv oder negativ auswirken könnte sich die Farbe des Chips. Da sich persönliche Chips und Leih-Chips farblich unterscheiden, erkennen Insider auf den ersten Blick, wer eher ein "alter Hase" ist und wer vermutlich noch nicht lange oder nur sporadisch Granfondos fährt. Die (vermeintlich) erfahreneren Eigner eines persönlichen Chips werden daher eventuell mehr respektiert - oder aber auch nach vorne in den Wind geschickt...
Trotz dieses "Risikos" ist die Empfehlung von mgf klar: Den preiswerten Luxus eines persönlichen Chips sollte sich jeder Radsportler gönnen, der pro Jahr zwei oder mehr Granfondos mit diesem Chip-System fährt.
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ChampionChip: Bei der für diesen Chip vorgesehenen Standard-Montageform (Bild links) wird der Chip-Träger (rot) als Unterlage zwischen der Mutter des Schnellspanners und dem Ausfallende der Gabel positioniert.
Für Räder mit größerem Achsdurchmesser (zum Beispiel MTB und Rennräder mit Scheibenbremsen), für den das Auge des Chip-Trägers zu klein ist, ist die im Bild rechts gezeigte Montage vorgesehen. Dabei wird der Träger mit Kabelbindern (gelb) auf einer Gabelscheide befestigt. Da die Anlageflächen selten genau zueinander passen, am besten ein Stück Schlauch unterlegen. Auch wer sich mit der Kunststoff-Scheibe im Schnellspanner unsicher fühlt, könnte diese Montageform wählen.
Zu beachten: Damit die Zeitnahme sicher funktioniert, muss der Chip-Träger möglichst senkrecht positioniert sein. Der Winkel der gebogenen Gabel im Bild links dürfte für die Montage auf einer Gabelscheide schon über der Grenze liegen. Aber Räder mit Scheibenbremsen haben zum Glück immer gerade Gabeln.
Sollte eine der oben dargestellten Standard-Befestigungen nicht möglich sein (was sicher nur sehr selten der Fall sein wird), empfiehlt sich der Bau eines Adapters, an dem der Chip über das Auge des Trägers befestigt und senkrecht ausgerichtet werden kann. Notfalls könnte man den Chip auch ohne Träger direkt auf der Gabelscheide befestigen (nur an Carbon-Gabeln zulässig, denn der direkte Kontakt mit Metall kann die Chip-Funktion negativ beeinflussen).
Bei einem persönlichen Chip lässt sich die Optik durch eine Eigenbau-Montage-Lösung verbessern. Ein schon länger geplantes mgf-Projekt ist ein Adapter aus Kunststoff, mit dem sich der Chip sauber unter der linken Hinterbau-Strebe fixieren lässt. An dieser Stelle ist der Chip auch bei Profirennen wie dem Giro d'Italia montiert, hier stört er am wenigsten.
Grundsätzlich sollte der Chip bei jeder Montageform annähernd in der Position montiert sein, wie vom Hersteller vorgegeben - sonst könnten ähnliche Probleme auftreten wie weiter unten beschrieben.
WinningTime: Dieser Chip hat in der jüngsten Version einen verschraubten Träger, der mit Kabelbindern (rot) an der Sattelstütze oder am Sattelrohr befestigt wird [Bild-Quelle: SMS Sport, modifiziert]. Bei kleinen Rahmengrößen, niedriger Sattelposition und mit Satteltasche könnte die Montage dadurch schwierig werden.
Tipp: Mit Folie beklebt - z.B. mit Vereins-Logo - schaut der persönliche WinningTime-Chip noch besser aus. Und mit der Startnummer beklebt (sofern vor Anreise zum Granfondo bekannt) kriegt er eine Optik wie bei den Profis!
Für alle Chips gilt: Falls sich die Fahrer einer Mannschaft ein Teamauto teilen und in diesem mehrere Chips herumliegen, kann eine eindeutige Kennzeichnung sinnvoll sein (z.B. durch unverwechselbare Aufkleber, auch wenn jeder Chip durch die Seriennummer eindeutig identifizierbar ist). Sonst kriegt man die Zeit des Teamkollegen, wenn die Chips durcheinander geraten...
Chip-Betrug gab's schon vor Motor-Doping
Eine interessante Erkenntnis lieferte die Titelgeschichte "Abschlussfahrt" im TOUR- Magazin 12/2017: Der Novize der Gruppe hatte beim Granfondo Il Lombardia seinen ChampionChip-Transponder in der Trikottasche, nicht am Vorderrad - und die Signalübermittlung klappte so nicht. Ganz unrecht war die Annahme "Der funktioniert doch auch in der Trikottasche" jedoch nicht. Denn beim WinningTime-Chip macht es vermutlich keinen Unterschied, ob er wie vorgesehen an der Sattelstütze montiert ist oder in der Trikottasche steckt. Die Entfernung zum Zeitnahmeteppich auf der Straße dürfte dabei fast immer innerhalb der durch Rahmen- und Fahrergrößen bedingten Streubreite liegen, die das Transponder-System abdecken können muss.
Bei dem im Radsport selten verwendeten Datasport-Chip (in der Lenker-Nummer integriert, nur als Leih-Version) ist der Abstand zum Zeitnahmeteppich vergleichbar mit WinningTime. Und beim Datasport-Chip funktioniert die Zeitnahme auch in der Trikottasche. Das fiel vor einigen Jahren bei der Maratona dles Dolomites auf: Ein Teilnehmer war kurzfristig verhindert, das Startpaket vom Mannschaftsführer jedoch (wie damals noch möglich) schon Tage vorher abgeholt. Die überzählige Startnummer steckte ein anderer Fahrer in die Trikottasche, um den Chip im Ziel zurückzugeben und das Pfand zu kassieren (so wie er das auch schon mit Vorderrad-Transpondern gemacht hatte) - und löste an allen Zeitnahmestationen mit mit jedem der beiden Chips einen Impuls aus.
Für vorsätzliche Betrüger wären die aktuellen Chips von Datasport und WinningTime daher die erste Wahl. Beim ChampionChip-System müssten beide Chips in der vorgesehenen Höhe montiert werden, damit beide die Zeitnahme auslösen - und das fällt eher auf. Tatsächlich sichtete mgf schon mehrfach Fahrer, der am Vorder- und Hinterrad je einen Chip montiert hatten! Mit etwas technischem Aufwand wäre Chip-Betrug leicht nachweisbar, aber den scheuen die Veranstalter wohl.
Letztlich ist der Effekt von Chip-Betrug auch begrenzt. Eine Mannschaft könnte damit die Kilometerzahlen durch "virtuelle Finisher" steigern - aber die Kilometerwertung ist sowieso von eher geringem sportlichen Wert. Einzelne Teilnehmer könnten eine bessere Zeit erhalten und sich damit, obwohl sie langsamer oder gar nicht gefahren sind, für's nächste Mal einen Startplatz in einem vorderen Block ergaunern - das ist schon bedenklicher. Noch viel ärgerlicher ist es jedoch, wenn man bei einem Granfondo zügig von Rädern überholt wird, die im Tretlagerbereich merkwürdig heiser brummen...
Tipp: Alle auf dem Weg zum Granfondo nötigen formalen Schritte werden auf der Übersichtsseite "Bürokratie-Fahrplan" dargestellt. [Nachtrag 14.07.19]
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