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Muro di Sormano - Getriebe am Limit (05.11.17)
Die www-Inaktivität von mgf im September war Folge der Aktivität auf dem Rad. Den Abschluss meiner Radsport-Saison bildete der Gran Fondo Il Lombardia. Dieser von RCS, dem Veranstalter der Lombardei-Rundfahrt Il Lombardia, organisierte Granfondo fand nach acht Jahren Pause endlich wieder statt.
Absoluter Höhepunkt - bzgl. Höhenmetern und Härtegrad - dieses Granfondos war die Muro di Sormano. Diese zwei Kilometer lange Rampe wurde 1960 für den Giro di Lombardia entdeckt, aber aufgrund Protesten der Profis bereits nach drei Jahren wieder aus dem Streckenplan gestrichen. Während diese Mauer für die Profis heute mit den inzwischen verfügbaren, kleineren Übersetzungen fahrbar geworden ist, können Hobbyfahrer immer noch nachvollziehen, warum das Profirennen fünf Jahrzehnte lang einen Bogen um die Muro di Sormano gemacht hat.
Eine Mörder-Rampe!
Hier geht es auf knapp zwei Kilometern mit durchschnittlich 15,8 Prozent bergauf, die steilsten 200 Meter haben durchschnittlich fast 20 Prozent, als Maximalsteigung nennt das Höhenprofil des Veranstalters 27 Prozent. Das ist definitiv die steilste Rampe, die ich bisher gefahren bin!
Landschaftlich ist die schmale Straße sehr reizvoll (Bilder: metalocus.es). Man fährt zuerst durch lichten Wald, weiter oben hat man eine schöne Aussicht - zumindest bilde ich mir ein, diese in den Augenwinkeln wahrgenommen zu haben. Denn ich war permanent damit beschäftigt, bei der extrem niedrigen Geschwindigkeit (bei mir teilweise nur gut drei km/h) das Gleichgewicht nicht zu verlieren, der Blick klebte meist auf der Straße. Auf dieser sind Zitate (vermutlich Flüche!) der Profis aus den 60ern aufgemalt, die trotz des Kriechgangs nicht zu lesen waren (wohl nicht genug Blut im Hirn...), außerdem ist jeder einzelne Höhenmeter markiert. Kurz vor der 1000er-Marke veringerte sich der Abstand der Zahlen bedrohlich, auf weniger als vier Meter.
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[Grafik: Il Lombardia, modifiziert]
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Die Visualisierung der Höhenmeter zeigt auf geniale Weise, wie steil diese Rampe ist. Eine bloße Angabe der Steigungsprozente wäre weit weniger beeindruckend. So sieht man schon von weitem, wo die weißen Flecke zusammenrücken und es richtig zur Sache gehen wird - und kann sich noch etwas erholen, bevor Beinen, Kurbeln und Kette das Äußerste abverlangt wird. Lesen muss man die Zahlen gar nicht mehr...
Auf der Straße sind auch die besten Fahrzeiten der Jahre aufgemalt, in denen die Muro di Sormano von der Lombardeirundfahrt befahren wurde. Die Bestzeit hält seit der ersten Befahrung der "Neuzeit", im Jahre 2012, Joaquim Rodriguez mit 9:02 Minuten - oder anschaulicher: mit 12,8 km/h! Ein Wert, der dem Hobbyfahrer außerirdisch vorkommt, während er sich eine gefühlte Ewigkeit lang diese Rampe hochquält.
Der schnellste Granfondo-Teilnehmer und spätere Sieger Paolo Castelnovo (der 2017 u.a. den Granfondo La Fausto Coppi gewann) schaffte die Mauer übrigens in 9:23 Minuten (12,2 km/h) - also kaum langsamer als die Profi-Bestzeit!
Die richtige Strategie für die Muro
Die Zeit war mir völlig egal, es ging nur um's Durchkommen. Dafür hatte ich mir eine sehr defensive Strategie zurechtgelegt. Eine dem steilsten Stück vergleichbare Rampe ist die "Mür dl Giat" ("Katermauer") im Finale der Maratona dles Dolomites, aber dort müssen davor und danach nicht 15 Prozent bewältigt werden. Meine Strategie war deshalb: Die 300 Höhenmeter bis zum Beginn der Muro so schonend wie möglich fahren, dann die ersten 800 Meter mit 15,7% Durchschnittssteigung so langsam wie möglich angehen, um noch Reserven für die 20%-Rampe zu haben.
Der Plan ging auf, aber nach der 20%-Rampe, die einen letzten Stich mit über 25% hat, war die Luft komplett raus. Die folgenden 800 Meter mit 15,4% Durchschnittssteigung gingen erst nach einer kurzen Verschnaufpause. Aber immerhin war die komplette Muro di Sormano für mich fahrbar, wenn auch nur am absoluten Limit.
Auch der Grip war zeitweise am Limit: Das Hinterrad (mit neuem, nur 200 km gelaufenem Testsieger-Reifen) rutschte in den steilsten Passagen auf der Farbe durch. Ein Buchstabe ist zum Glück schnell zu Ende, aber bei Regen wäre diese Mörderrampe sicher nicht fahrbar gewesen.
Nicht verschwiegen werden darf ein entscheidender Vorteil, den ich gegenüber fast allen Fahrern hatte, die zeitgleich mit mir an der Mauer kämpften und von denen zwei Drittel schieben mussten: Mein Rad hat eine 1:1-Übersetzung - ohne die wäre es nicht gegangen. Und trotz 1:1 war dieser Anstieg so hart, dass die heftigsten Krämpfe meiner Radler-Karriere folgten. Die dadurch nötige Zwangspause war vermutlich länger als die durch Fahren statt Schieben gewonnene Zeit.
Das richtige Getriebe für die Muro
Eigentlich benötigen schon überdurchschnittlich fitte Hobbyfahrer an der Muro eine Untersetzung. Und meine Leistung ist in jedem Fall unterdurchschnittlich, wie das folgende Diagramm zeigt. Dargestellt sind die Leistungswerte von drei großen Granfondos, für die brauchbare Zwischenzeiten vorliegen (die an längeren, gleichmäßigen und im Streckenverlauf nicht zu früh positionierten Steigungen gemessen wurden). Bei allen drei Radmarathons war das mittlere System-Leistungsgewicht (für die Summe der Massen von Fahrer, Rad und Ausrüstung) erstaunlicherweise nahezu identisch, es lag bei ca. 2,4 W/kg (50 % der Teilnehmer erreichten mindestens diesen Wert): .
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Die Vorgeschichte des Gran Fondo Il Lombardia:
Von 2006 bis 2008 gab es schon einmal einen Gran Fondo Giro di Lombardia. 2007 und 2008 bildete das Paket mit dem "Rennen der fallenden Blätter", bei dem viele Profis ihre Saison beenden, den stilvollen Abschluss der Rad-Saison von mgf.
Heuer bot der Giro-Veranstalter RCS endlich wieder eine Neuauflage des Granfondos an. Der Anstoß dazu kam allerdings offenbar von außen: Bereits Ende letzten Jahres war für den Tag nach dem Profirennen, das inzwischen Il Lombardia heißt, der Gran Fondo Don Guanella Città di Lecco angekündigt. Der Veranstalter GS Alpi aus Sondrio war mir durch den Gran Fondo Internazionale Gavia & Mortirolo in guter Erinnerung, die Strecke führte über den Anstieg zur Madonna del Ghisallo und die Colma di Sormano - damit war dieser Granfondo mit Start/Ziel in Lecco für mich fest eingeplant.
Im Mai tauchte dann plötzlich zusätzlich der Gran Fondo Il Lombardia auf, zunächst nur als Termin, mit demselben Datum. Die Website mit mehr Informationen ging erst Ende Juli online - und kündigte eine mit dem Gran Fondo Don Guanella zu 40% identische Streckenführung an! Start und Ziel waren in Como, dem Zielort des Profirennens. Wenn beiden Granfondos an ihren Plänen festgehalten hätten, wäre es interessant geworden...
Zwischen Onno und Nesso hätten beide Granfondos 44 km über dieselben Straßen geführt und das auch noch fast zur selben Zeit. Die Hauptfelder hätten sich vermischt und jeder Granfondo hätte seine Verpflegungstellen extra beschildern müssen - oder vielleicht hätten sich die beiden Veranstalter auf gemeinsame Stationen geeinigt? Nach der Abfahrt nach Nesso hätte es Schilder geben müssen: „Lombardia“ links, „Don Guanella“ rechts! Leider - oder zum Glück - kam es nicht zu dieser kuriosen Situation, denn Don Guanella änderte seine Streckenführung, Überschneidungen blieben aus.
Die Änderungen waren jedoch noch nicht bekannt, als meine Entscheidung für Como fiel. Diese beruhte vor allem auf den bekannten Strecken, den ebenfalls guten Erfahrungen mit RCS als Veranstalter - und der Muro di Sormano als Highlight. Wie hart diese Mauer werden würde, wusste ich da allerdings noch nicht.
Der identische Termin und die (zumindest geplant) ähnliche Streckenführung kostete sicher beide Veranstaltungen Teilnehmer. In Como waren es knapp 700 (davon 25% aus dem Ausland), in Lecco 800 (5% Ausland). Als unabhängige Veranstaltung hätte sicher jeder der beiden Granfondos schon bei der Premiere die Marke von 1.000 Teilnehmern überschritten.
Aber vielleicht wählt der Gran Fondo Don Guanella ja nächstes Jahr einen anderen Termin, mit einer Streckenführung über Ghisallo, aber ohne Muro di Sormano. Dann wäre das eine überlegenswerte, etwas gemütlichere Alternative zum Gran Fondo Il Lombardia. Letzteren hätte es vermutlich nicht gegeben, wenn die GS Alpi nicht die Idee eines Granfondos am Tag nach der Profi-Rundfahrt gehabt hätte. Und das sollte durch eine Teilnahme honoriert werden!
Nachtrag 20.11.17: Der nächste Gran Fondo Don Guanella findet am 27.05.18 statt. Durch den (vermutlich vom Gran Fondo Il Lombardia ausgelösten) Terminwechsel ins Frühjahr wird dieser Granfondo leider weniger attraktiv. Im Herbst - z.B. eine Woche vor Il Lombardia - hätte diese Veranstaltung mehr Reiz, zum Saisonausklang gibt es nicht viele Angebote. Aber vielleicht verschiebt sich ja der Termin nochmal, falls der Gran Fondo Il Lombardia 2018 ausfallen sollte...
Auch das Magazin TOUR hat den besonderen Reiz eines Saison-Abschlusses im sonnigen Süden erkannt und dem Paket aus Lombardei-Rundfahrt und Granfondo die Titelgeschichte von Heft 12/17 gewidmet: "Das perfekte Saison-Finale" enthält auf neun Seiten viele schöne Bilder - und die Muro di Sormano wird natürlich auch gebührend gewürdigt!
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In dem Diagramm (das mit einem pauschalen Rollwiderstand für 85 kg berechnet wurde) sind die Kurven von Maratona und Ötztaler nahezu identisch, die Abweichungen der Nove Colli erklären sich u.a. durch den relativ kurzen Anstieg (im oberen Leistungsbereich) und die größere Leistungsbandbreite der Teilnehmer (im unteren Leistungsbereich, es sind auch Kurzstrecken-Teilnehmer erfasst, die am steilen Barbotto teils schieben). Übrigens liegt der tatsächliche Mittelwert aller Hobbyradler, die sich in die Berge wagen, ganz sicher noch ein Stück unter den 2,4 W/kg aus obigem Diagramm - denn die große Runde der Maratona oder den Ötztaler schafft nicht jeder!
Welche Trittfrequenzen mit den kleinsten verfügbaren Rennrad-Übersetzungen in Abhängigkeit vom System-Leistungsgewicht möglich sind, zeigt die neben dem Diagramm dargestellte Tabelle: Am 12-Prozenter brauchen selbst Leute, die beim Ötztaler unter die besten 10 Prozent fahren, eine Untersetzung, um mindestens 70 U/min (Empfehlung der Sportwissenschaft) treten zu können.
Die Prozentzahlen der Muro di Sormano sind in der 2012 erstellten Tabelle nicht enthalten - da fahren alle im roten Bereich. Die Rechnung ergibt für mich an der durchschnittlich 15,8% steilen Muro abzüglich Pause einen Schnitt von 4,9 km/h, das entspricht einem System-Leistungsgewicht von 2,2 W/kg, meine Trittfrequenz lag unter 40 U/min. Mit einem kleineren Gang wäre definitiv eine schnellere Zeit drin gewesen.
Zum Vergleich: Bei der Maratona dles Dolomites 2017 kam ich am Passo Giau auch auf 2,1 W/kg System (7,8 km/h an 9,3 % Steigung), obwohl ich da relativ gemütlich hochgefahren bin und mich subjektiv nur halb so sehr angestrengt habe wie an der Muro di Sormano. Am Giau konnte ich immer über 60 U/min treten und damit im effizienten Bereich bleiben. Ein "dicker" Gang zwingt zwar eher zum Abrufen der Höchstleistung, damit kann man sich selber mehr unter Druck setzen. Aber wenn der Gang zu dick ist, verpufft ein großer Teil der Leistung im ineffizienten Wiegetritt mit zu niedriger Trittfrequenz. Für alle, die Berechnungen und Empfehlungen der Wissenschaft nicht überzeugen, hilft vielleicht der Vergleich mit dem Treppensteigen (siehe rechts unten).
Nachtrag 20.11.17: Ein Nachteil einer 1:1-Übersetzung soll hier nicht verschwiegen werden: Bei jedem Tritt werden am Hinterrad immer wieder dieselben Speichen und -anbindungen beansprucht. Für Radplan Delta ist 1:1 deshalb "mechanischer Unfug". Ganz so kritisch sehe ich das zwar nicht, denn meine Laufräder sind genauso solide gebaut wie mein Rad. Aber an der nächsten 15%-Rampe werde ich dennoch entweder öfters mal schalten - oder besser gleich mit einer Untersetzung antreten!
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Nachtrag 17.12.17: Die Analyse der Leistungskurve für die Muro di Sormano ergibt Erstaunliches: Die Leistung an der Spitze lag um 1 W/kg System höher als bei den 2012 untersuchten Granfondos! Was ist hier passiert? Haben Fortschritte bei Technik und Trainingsmethoden diesen Sprung ermöglicht? Oder waren die Teilnehmer beim Granfondo Il Lombardia fast alle gedopt?
Die Antwort ist viel einfacher: An einem langen Pass fahren alle mit ihrer Dauerleistung, während an einer derart steilen, nur 2 km langen Rampe eher die Maximalleistung abgerufen wird - insbesondere von den stärkeren Fahrern.
Der schnellere Abfall der Kurve für die Muro im unteren Bereich erklärt sich zum einen durch das höhere mittlere Leistungsniveau beim Granfondo Il Lombardia, zum anderen durch den (verglichen mit den anderen Granfondos) erheblich höheren Anteil der schiebenden Teilnehmer (ähnlicher Effekt wie beim Barbotto der Nove Colli, nur dass dort das Leistungsniveau niedriger liegt und weniger schieben).
Der etwas zappelige Verlauf der Kurve für die Muro erklärt sich durch die geringere Teilnehmerzahl: Die Kurven der anderen Granfondos basieren auf mehreren Tausend Einzelleistungen und werden dadurch geglättet. Die nur auf einem Fünftel dieser Datenmenge basierende Kurve für die Muro di Sormano ist weniger repräsentativ für die Gesamtheit aller Granfondo-Fahrer.
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Nachruf auf Dreifach
Leider wird die Bezwingung von extremen Rampen wie der Muro di Sormano in Zukunft für Hobbyfahrer noch schwerer. Denn Untersetzungen und Allroundgetriebe gibt es nach dem Verschwinden von Dreifachantrieben nicht mehr. Inzwischen ist leider auch die letzte verbliebende, qualitativ hochwertige Dreifachgruppe - die Campagnolo Athena - vom Markt verschwunden.
Im Rahmenprogramm von L'Eroica 2017 stellte Campagnolo nicht nur Komponenten aus 80 Jahren Geschichte aus, sondern auch den Katalog für das Modelljahr 2018 (12,7 MB!) vor. Darin ist die Athena 3x11 leider nicht mehr enthalten. In Zukunft beschränkt sich das Angebot für kletterfreudige Hobbyfahrer daher auf wenige Alternativen:
Beim Kompaktantrieb mit 50/34er Kettenblättern ist manchmal eine 1:1-Übersetzung ab Werk lieferbar. Bei einer 11-fach-Kassette mit 34er Ritzel fallen die Gangsprünge allerdings schon grenzwertig groß aus, ein Allroundgetriebe ist das nicht mehr, vor und nach harten Bergtouren ist ein Kassettenwechsel angesagt.
Rennrad-Dreifach gibt es bei Shimano nur noch als Tiagra 3x10 (und darunter als Sora 3x9), als kleinster Serien-Gang ist 30:32 im Angebot. Leider ist die Tiagra qualitativ uninteressant. Höherwertige Dreifach-Komponenten gibt es bei Shimano zwar (noch) für's MTB, aber die 10- und 11-fach-MTB-Komponenten sind leider nicht mit den 10- und 11-fach-Rennrad-Schalthebeln kompatibel.
Wer weiterhin Rennrad-Dreifach fahren will, sollte sich deshalb mit den letzten Dreifach-Teilen eindecken - solange diese noch verfügbar sind. Weil die Athena-Teile sicher so langlebig sein werden wie meine gute alte Veloce, werde ich wohl noch 20 Jahre die Vorzüge von Dreifach genießen können, unter anderem...
- Große Bandbreite, z.B. von 2,1 bis 9,4 Meter Entfaltung, trotzdem fein gestufte Gänge mit fahrbaren Sprüngen. Bei gleicher Bandbreite bietet 3x10-Dreifach bis zu drei Gänge mehr als 2x10-Kompakt. Bei Dreifach kann man mit einer Kassette (fast) alles fahren.
- Das mittlere Blatt ist in einem weiten Geschwindigkeitsbereich von ca. 15 bis 40 km/h nutzbar. Bei Kompakt sind häufig Blattwechsel zwischen 17 und 27 km/h nötig. Dreifach bedeutet für mich mehr Schaltkomfort, weil vorne weniger geschaltet werden muss.
- Bei Bedarf sind einfach und kostengünstig Untersetzungen durch Tausch des kleinen Blattes möglich, bis hin zu 26:32 (mit Abstrichen bei Bandbreite oder Gangsprüngen). 28-38-50 ist eine schöne, alltagstaugliche Allround-Abstufung.
Schade, dass diese Vorzüge, die in Kombination nur Dreifach bietet, nun serienmäßig nicht mehr verfügbar sind. Aber vielleicht (und hoffentlich) verlassen die Komponentenhersteller den Irrweg hin zu Zwei- und Einfachantrieben ja irgendwann wieder.
Auch wenn eine Untersetzung extreme Rampen leichter macht, wird das Aussterben von Dreifach die Zukunft der Muro di Sormano sicher nicht beeinflussen. Auch so ist zu befürchten, dass sich die Geschichte des Giro di Lombardia der 60er Jahre beim Gran Fondo Il Lombardia wiederholt: Wenn ein Anstieg für die Teilnehmer zu hart ist und zu Protesten und Rückgang der Starterzahlen führt, könnte der Veranstalter gezwungen sein, diese Mörder-Rampe aus dem Streckenverlauf zu nehmen...
Nachtrag 28.10.18: Dieses Problem wurde bereits bei der nächsten Auflage entschärft: 2018 konnte man, alternativ zur Muro di Sormano, auch auf der Hauptstraße weiterfahren. Das führte zu dem kuriosen Zustand, dass der offizielle Gesamtsieger der Veranstaltung auf der kürzeren Streckenvariante ermittelt wurde! Von 1035 Teilnehmern quälten sich 788 über die Muro, 247 wählten die leichtere Hauptstraße.
Merkwürdigerweise war die Durchschnittsleistung an der Muro identisch mit 2017, obwohl 1/4 der Teilnehmer die weniger brutale Alternative wählte. Offensichtlich gibt es viele Fahrer, die sich absichtlich quälen wollen, auch wenn ihre zu geringe Leistung sie letztlich zum Absteigen zwingt. Für diese Klientel ist die hier gestellte Frage nach dem passenden Berggang natürlich überflüssig. Aber wer sich wirklich quälen will, sollte die Muro lieber mit 42/23 hochfahren - wie damals in den 60ern...
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Treppensteigen an der Muro di Sormano
Für alle, die Berechnungen und Empfehlungen der Wissenschaft nicht überzeugen, hilft vielleicht der folgende Vergleich mit dem Treppensteigen...
Bei einer Steigung von 25 % ist je 4,1 m Weg ein Höhenmeter zu bewältigen. Mit einer 1:1 Übersetzung (Entfaltung 2,1 m) bewältigt man mit jedem Kurbeltritt 26 cm Höhe. Das ist schon erheblich mehr als die Höhe der Stufen einer üblichen Treppe (< 20 cm). Und das Besteigen einer Treppe mit 26-cm-Stufen ist auf Dauer schon sehr anstrengend, 300 Höhenmeter sind ohne Pause kaum drin.
Bei Übersetzung 34:29 (Entfaltung 2,46 m) bewältigt man mit jedem Kurbeltritt 30 cm Höhe. Eine solche Treppe ist kaum mehr mit konstanter Geschwindigkeit zu besteigen, man kommt schnell außer Atem und muss sicher schon vor den ersten 100 Höhenmetren eine Verschnaufpause einlegen.
Bei Untersetzung 28:32 (Entfaltung 1,84 m) bewältigt man mit jedem Kurbeltritt 23 cm Höhe. Die entsprechende Treppe lässt sich schon leichter besteigen. Für eine Treppenstufenhöhe von 20 cm wäre eine Entfaltung von 1,72 m erforderlich, das entspricht einer Untersetzung von 28:34 oder 26:32. Solche Gänge sind am Rennrad nur mit Dreifachantrieb möglich - und auch nur mit Zugeständnissen bei den Gangsprüngen oder beim größten Gang.
Bei anderen Steigungen ergeben sich die "Treppenstufen" der folgenden Tabelle. Wenn die Zahlen unter 14 liegen, könnte ich zeitweise noch im Sattel sitzen bleiben, bei Werten unter 11 wohl dauerhaft. Mit dem kleinsten Rennrad-Gang 26:32 dürfte die Muro di Sormano bis auf die steilsten 200 Meter im Sitzen gehen. Einigermaßen entspannt wird es erst mit dem MTB-Gang 22:34...
Der Vergleich von Wiegetritt und Treppensteigen hinkt natürlich ein wenig, weil auf dem Rad die Hubhöhe der Beine unabhängig von der Übersetzung immer der doppelten Kurbellänge entspricht, also ca. 35 cm. Aber die Hubarbeit pro Schritt/Tritt ist beim Radfahren und Treppensteigen vergleichbar. Und auch die Trittfrequenz im Wiegetritt wird sich an so einer steilen Rampe an die Schrittfrequenz beim (schnellen) Treppensteigen annähern.
Damit gibt die obige Tabelle doch einen guten Eindruck davon, welche Anstrengung an steilen Rampen wie der Muro di Sormano auf einen Radfahrer wartet - und welche Gänge diese leichter oder schwerer machen...
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