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Granfondo fahren mit Navi?! (25.02.18)

Ein eher peinlicher Vorfall beim Gran Fondo Il Lombardia erinnerte mgf an eine Entwicklung, die schon seit einigen Jahren zu beobachten ist: Immer mehr Granfondos - inzwischen fast schon jeder zweite - stellen GPS-Tracks der Wettkampfstrecke im www bereit. Zwar sieht man immer mehr Räder mit einem GPS-Computer am Lenker und zumindest theoretisch kommt auch jeder Smartphone-Besitzer als potentieller Nutzer in Frage. Aber ist die Verwendung von GPS auf abgesperrter Strecke sinnvoll? Wann und wem hilft ein GPS-Track beim Granfondo?

 

Die GPS-gestützte Navigation hat sich, seit sie im Jahr 2000 vom US-Militär für die zivile Nutzung freigegeben wurde, immer mehr verbreitet. Inzwischen hat man fast den Eindruck, dass ernsthaftes Training ohne GPS-Aufzeichnung und anschließende Veröffentlichung auf der Internet-Plattform Strava gar nicht mehr möglich ist. Und es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis der "Strava-Club Maratona dles Dolomites" (derzeit 5.200 Mitglieder) größer ist als das Starterfeld der Veranstaltung selbst.

Aber kann der Einsatz von GPS auch im Wettbewerb sinnvoll sein, auf einer abgesperrten, zumindest ausgeschilderten und abgesicherten Strecke? Tatsächlich kann man sich manchmal bei einem Granfondo verfahren. Auch mgf ist das schon passiert - erstmals beim Gran Fondo Il Lombardia 2017, siehe Bericht auf der rechten Seite. Bei dieser Veranstaltung stand ein GPX-Track zur Verfügung, der bei den etwas diffizilen finalen Kilometern durch Como sicher hilfreich gewesen wäre.

Allerdings wäre es auch ohne GPS-Technik gegangen. Zu einer guten, gewissenhaften Vorbereitung hätte gehört, sich die Strecke vorher anzuschauen. Umso mehr, wenn diese durch eine größere (und wegen der vielen Einbahnstraßen bzgl. der Orientierung nicht ganz einfache) Stadt wie Como führt. Eine detaillierte Streckenkarte gab es auf der www-Seite des Granfondos zwar nicht, aber die Übersichtskarte war identisch mit der des Profirennens - und dafür gab es die rechts gezeigte Detail-Karte. Noch einmal passiert mgf ein solcher Fehler sicher nicht!

 

GPS - in Maßen sinnvoll

Weil GPS nicht nur bei manchem Granfondo hilfreich sein kann, wird dennoch in nicht allzu ferner Zukunft auch am Lenker von mgf ein satellitengestützes Helferlein seinen Platz finden - jedoch nicht als Dauerbegleiter, sondern nur, wenn es wirklich Vorteile bringt:

Bei einem Granfondo:

Nur als Absicherung, wenn die Strecke ähnliche Schwierigkeiten wie in Como erwarten lässt - was äußerst selten der Fall ist. Die wenigsten Granfondos führen durch Großstädte und bei Veranstaltungen in den Bergen gibt es kaum Möglichkeiten, falsch zu verfahren.

Ein potentieller Kandidat für den Einsatz von GPS wäre der Gran Fondo Campagnolo Roma. In der ewigen Stadt könnte die Orientierung schwierig werden, wenn am Ende des Feldes die Kette der Teilnehmer ausdünnt oder der eine oder andere Streckenposten mal fehlt. Von den anderen Veranstaltungen der Granfondo-Liste von mgf führen der Granfondo Alé La Merckx (Start/Ziel in Verona) und der Granfondo Firenze De Rosa (Start/Ziel in Florenz) zwar durch große Städte, deren recht geradlinige Streckenführung sieht allerdings nicht so aus, als ob man sich verfahren könnte. Wenn man sowieso mit GPS-Computer fährt, kann man natürlich trotzdem einen vorhandenen Track drauf laden.

Wirklich hilfreich ist GPS-Navigation beim Gran Fondo Strade Bianche oder Nova Eroica, die beide eine ähnliche Streckencharakteristik aufweisen: Hier schlägt die Strecke immer wieder mal einen Haken, um die Schottersektoren zu verbinden. Auch bei der Roubaix Challenge lassen sich die oft versteckten Pavés Nordfrankreichs mit GPS leichter finden.

Ein Sonderfall ist L'Eroica. Hier wäre GPS wegen der verschlungenen Strecke sinnvoll, auch weil Streckenposten eher selten sind und die Beschilderung eher dezent gehalten ist (da fest und permanent installiert). Aber Elektronik am Lenker eines mindestens 30 Jahre alten Rennrades wäre ein Stilbruch, der nicht zu dieser historischen Veranstaltung passt (was das Magazin TOUR jedoch nicht davon abhielt, genau das auf dem Titel von Heft 12/2016 zu dokumentieren...). Da jedoch bei L'Eroica keine Uhr mitläuft und man durch eine schöne Landschaft radelt, sollte Falschfahren zu verschmerzen sein.

Bei sonstigen Touren:

Für Gruppen-Ausfahrten auf unbekanntem, unübersichtlichem Terrain. Wenn man nicht alleine unterwegs ist, stören Zwischenstopps zum Checken der Straßenkarte, dann ist die Nutzung eines GPS-Geräts und das Erstellen von Tracks oder Routen (die man auch an die Mitfahrer weitergeben kann) im Vorfeld der Touren sinnvoll. Allerdings nur, wenn das Straßennetz dicht ist und Nebenstraßen gefahren werden können, was z.B. im Veneto oder in der Lombardei oft möglich ist. Dagegen gibt es bei Touren im Hochgebirge selten alternative Wege und damit auch kaum Möglichkeiten, falsch zu fahren - für Vorsichtige genügt dann ein Zettel mit Kilometer- und Ortsangaben.

Weil die genannten Randbedingungen für mgf die Ausnahme sind, die Planung mit einer Papier-Karte weniger aufwendig und flexibler ist, während der Tour zur Absicherung sowieso eine Papier-Karte (oder wenigstens ein digitales Foto davon) dabei sein sollte, man mit einem Blick in die Papier-Karte mehr von der Gegend mitkriegt als über ein kleines Display und man sich mit klassischer Karte nicht sklavisch an die vorausgeplante Strecke halten muss, wird sich die GPS-Nutzung bei mgf allerdings sehr in Grenzen halten. Bei Touren auf eigene Faust bleibt die schönere, informativere, gedruckte Straßenkarte - die es hoffentlich noch lange zu kaufen geben wird - weiterhin die erste Wahl.

 

Mehr Informationen für GPS-Einsteiger

Die folgenden www-Seiten erscheinen mgf als GPS-Einsteiger für den Einstieg in das Thema GPS geeignet:

ketterechts.de Auf dieser privaten Seite einer Rennradfahrerin finden sich verständliche Erklärungen der Grundlagen, Planung und Nutzung von GPS-Geräten (v.a. Garmin), sowie einige weiterführende Links.

gpsradler.de Wer den Kauf eines GPS-Geräts plant, findet auf dieser privaten Seite eines Tourenradlers aussagekräftige Tests, außerdem viele Praxistipps, z.B. zu Befestigung, Tourenplanung, Updates.

GPSies.com Dieses Portal bietet Online-Streckenplanung, kostenlose Software, Sammlungen von GPS-Tracks und weiterführende Links.

 

Die Suche nach dem richtigen GPS-Gerät...

...ist für mgf noch nicht abgeschlossen. Für den oben beschriebenen, nur gelegentlichen Einsatz ideal wäre ein kompaktes Zusatz-Gerät zur Befestigung am Lenker, das einen GPS-Track auf einer Karte darstellt, akustisch nicht nervt und sich auf den Navigations-Job beschränkt. Routing-, Dokumentations- und Trainingsfunktionen wären verzichtbar (da durch andere Geräte abgedeckt oder unerwünscht).

Leider scheint es heute nur noch eierlegende Wollmilchsäue zu geben, die viele Funktionen in einem Gerät vereinen. Daher wird die Wahl vermutlich auf einen Radcomputer hinauslaufen, der nur Tracks ohne Karte darstellt, trotzdem mehr kann als er soll und deshalb mehr kostet als nötig. Eine günstige (Not-) Lösung mittels Smartphone oder Auto-Navi kommt aus optischen und praktischen Gründen für mgf nicht in Frage.

 

Tipp für "Granfondo-Touristen"

Auch wenn die meisten ins www gestellten Granfondo-GPS-Tracks bei den Veranstaltungen selbst oft nicht viel Sinn machen, bringen sie außerhalb des Wettbewerb alternativen Nutzen: Wer sich eine Granfondo-Strecke nur mal unverbindlich anschauen möchte, ganz oder auch nur teilweise, oder einfach eine schöne Strecke sucht, als Teil eines Trainingslagers in der Region oder für einen Zwischenstop auf der Reise zu oder von einem anderen Granfondo, kann sich mit GPS-Hilfe leichter tun.

Die aus mehreren Schleifen zusammengesetzte, teils durch recht dicht besiedelte Täler führende Strecke des Gran Fondo Felice Gimondi Bianchi (Start/Ziel in Bergamo) beispielsweise ist im Alltagsverkehr weniger leicht zu finden als am Tag des Granfondos. Dagegen ist die Strecke des Gran Fondo Campagnolo Roma nur am Wettkampftag oder mitten in der Nacht zu empfehlen - zumindest im Bereich von Start und Ziel...

 

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Das etwas diffizile Finale der Lombardei-Rundfahrt durch die Straßen von Como [Bild-Quelle: ilombardia.it]. Beim Gran Fondo Il Lombardia 2017 wurde die letzte Schleife über San Fermo della Battaglia (ausgegraut) kurzfristig gestrichen. Das machte die Streckenführung ein gutes Stück übersichtlicher. Dennoch verfuhr sich eine größere Zahl von Teilnehmern auf dem Weg zum Ziel (außer mgf auch einige Italiener und eine Gruppe des Radmagazins TOUR), weil die Beschilderung nicht ausreichend bzw. auffällig genug war.

Am Ende der letzten Abfahrt (an der durch den Kreis markierten Stelle) schoss eine kleine Gruppe mit mgf geradeaus weiter. So spät im Rennen hatte die Konzentration offenbar schon ziemlich nachgelassen, ein Streckenposten war weder zu sehen noch zu hören. Immerhin stimmte die grobe Richtung, irgendwann landeten wir dadurch an der Seepromenade, im Gewusel hinter dem Ziel. Zum Glück war nur eine Straßenseite der Zielgeraden gesperrt...

Interessant ist, dass der TOUR-Redakteur (Autor vieler Reiseberichte und Ersteller zahlreicher GPS-Tracks zu den Tourenvorschlägen) den vom Veranstalter zum Download bereitgestellten GPX-Track offenbar nicht nutzte! Gleiches gilt für einen mit GPS-Radcomputer ausgerüsteten Begleiter von mgf. Anscheinend ist der GPS-Einsatz für die meisten Nutzer nur im Training und bei Touren selbstverständlich, bei Granfondos dagegen (noch) nicht.

Como stellt übrigens nicht nur beim Granfondo erhöhte Anforderungen an den Orientierungssinn. Auch wer mit dem Auto von Chiasso kommt und am See entlang Richtung Bellagio weiterfahren will, wird ohne Navi, nur auf Wegweiser vertrauend, kaum auf Anhieb den richtigen Weg aus der Stadt finden.

Und auch schon beim Gran Fondo Giro di Lombardia 2008 - der als einer der ersten GPS-Tracks zum Download anbot - hatten manche Teilnehmer auf den finalen Kilometern durch Como Orientierungsschwierigkeiten. Damals führte die Strecke über San Fermo und die Anfahrt dorthin erfolgte über eine Nebenstraße am Bahnhof entlang. Fast 50 Fahrer verpassten die Zufahrt und kamen über einen Abschneider auf die Zielgerade. 2008 wurden Teilnehmer, die den Gran Fondo (143 km) ohne die finale 8-km-Schleife absolvierten, nur für den Medio Fondo (114 km) gewertet!

Übrigens fand ein Technik-Freak, der schon 2008 mit GPS am Rennrad unterwegs war, damals zwar den richtigen Weg im Finale durch Como, ließ sich dafür jedoch vorher trotz GPS an der Gabelung zwischen Lang- und Kurzstrecke vom falschen Teil des Feldes auf die Kurzstrecke mitreißen. Die Streckenerkundung am Vortag des Granfondos, bei der sich das GPS als hilfreich beim Finden der Anfahrt zum Schlussanstieg erwiesen hatte, führte damals nicht bis zur Streckengabelung...

Nachtrag 28.10.2018: Beim Gran Fondo Il Lombardia 2018 gab es keine Gelegenheit zum Falschfahren mehr. Die Strecke wurde verkürzt, der Granfondo endete mit einer Bergankunft in Civglio, auf der Abfahrt nach Como und dem Weg zurück zur Seepromenade lief keine Zeit mehr. Das hatte gleich mehrere Vorteile: Für den Veranstalter war die Absicherung weniger aufwendig und die Genehmigung sicher leichter möglich. Für die Teilnehmer ist eine Bergankunft ein besonderes Finale – auch wenn die Zielgerade der Profis zum Showelement reduziert wurde.

Aber 2017 war ja auch der letzte Profi-Anstieg nach San Fermo della Battaglia schon nicht mehr Teil des Granfondos. Und als Hobbyfahrer bei einem Granfondo mit Polizeischutz durch eine Großstadt rasen zu dürfen – so wie es mgf beim Gran Fondo Giro di Lombardia 2007 und 2008 noch erleben durfte – wird angesichts des immer weiter zunehmenden Verkehrs zukünftig wohl überhaupt nicht mehr möglich sein.

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Strava - der neue Nabel der Rennradwelt?

Ohne GPS würde die Web-Trainings-Plattform Strava nicht existieren, um die sich offenbar bei vielen Radsportlern inzwischen die Welt dreht: "Wenn es nicht auf Strava steht, ist es nicht passiert." (Zitat aus dem Artikel "App-gefahren" in TOUR 12/2017). Was für ein Schwachsinn! Das Leben spielt sich in der Realität ab und nicht im virtuellen Raum.

Eine Tour ist in den Beinen und im Kopf. Die Gefühle werden nicht auf Strava dokumentiert, sondern im Herzen. Da ist gespeichert, wie es sich anfühlt, völlig high über die Dolomiten zu fliegen oder in der Toscana nach 230 Kilometern, davon 125 Schotter, auf dem Zahnfleisch ins Ziel zu robben. Dazu braucht es keinen GPS-Track, nicht mal ein Foto (wenn man dafür anhalten muss) und erst recht kein Strava.

"Wenn es nicht auf Strava steht, ist es nicht passiert." Was ist, wenn mal der Strom ausgeht? Anhalten und die Tour abbrechen? Das hat vermutlich schon mancher gemacht. Und vielleicht schleppt der eine oder andere nun auf seinem sechs-Kilo-Renner sicherheitshalber noch ein halbes Kilo Akku mit, damit das nicht nochmal passieren kann?

In dem TOUR-Artikel kann man auch nachlesen, wie blutig ernst viele Hobbysportler den "Wettbewerb" auf Strava nehmen. Da gibt es Leute, die sich beschweren, dass ihnen ein "KOM" (King of Mountain) "geklaut" wurde; solche, die den "Gegner" verdächtigen, mit einem e-Bike gefahren zu sein; andere, die sich auf der Jagd nach einem "KOM" die Knochen brechen und einen, der sich den Titel "Passkönig" mit einem "Burnout" erkauft. Und der ganze Stress nur, um in einem manipulierbaren virtuellen Daten-Wettstreit auf irgendeiner von zigtausend KOM-Listen im endlos weiten www den ersten Platz zu besetzen...

Dabei nimmt es Strava selbst mit den Daten nicht so genau. Im TOUR-Artikel „Zahltag! So radelt Deutschland“ (Heft 01/2017, S. 110 ff.), der eine Bilanz der Strava-Nutzer präsentiert, wimmelt es nur so von Rechen- und Logik-Fehlern, mgf hat zehn gezählt. Die Nachfrage ergab, dass die Statistiken von Strava geliefert und vom Magazin nur übernommen wurden. Wenn Strava immer so genau arbeitet wie bei der eigenen Statistik, sind die auf Strava dokumentierten Daten nichts wert!

Außerdem können Daten manipuliert werden. Auch wenn das schwieriger ist, als ein Dating-Profil zu faken oder irgendeinen Strava-Sektor so hinzutricksen, dass es zum "KOM" reicht. Aber wer weiß schon, ob die Bestzeit nicht doch auf einem e-Bike beruht? Wieviele "KOMs" wurden wohl gedopt erzielt? Strava ist - wie Facebook & Co. - nur eine geschönte, manipulierte Fassade ohne realen Wert. Das Leben spielt sich in der Realität ab und nicht im virtuellen Raum. Wer echten Wettkampf sucht, muss Rennen oder Granfondos fahren und nicht auf Strava!

 

 

 

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