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"Super-Kompakt" – superb am Berg? (28.08.20)

Nach längerer Pause befasst sich diese Website wieder mit "Getriebe-Technik" am Rennrad – und das diesmal ziemlich intensiv. Für Granfondo-Teilnehmer ist die Wahl eines an die Strecke und die eigene Leistung angepassten Getriebes von essentieller Bedeutung. Im Beitrag zum Granfondo il Lombardia 2017 kam mgf zum Schluss, dass es für Rennräder kein Seriengetriebe gibt, mit dem die Muro di Sormano vernünftig zu meistern ist. Das stimmt heute nicht mehr ganz – und auch 2017 gab es schon exotische Alternativen, mit denen dieser extrem steile Anstieg zumindest für leistungsstarke Fahrer den Schrecken verliert (auch wenn er nie einfach wird).

 

Inzwischen gibt es von vielen Anbietern Kurbeln mit Zähnezahlen kleiner als Kompakt (34 Zähne) – die von den Herstellern als "Super-Kompakt", "Sub-Kompakt" oder "Mikro-Kompakt" bezeichnet werden. Die Zeitschrift TOUR brachte im Heft 02/2019 (Seite 36 ff.) einen Test der damals angebotenen Nachrüst-Kurbeln. Das Fazit des Artikels wurde, als Teil der "Artikelstrecke Marathon", auch im www veröffentlicht.

Kann "Super-Kompakt" zum dauerhaften Trend werden? Bieten solche Kurbeln Vorteile für das Gros der Granfondo-Teilnehmer? Und welche Steigungen sind mit den kleineren Kettenblättern machbar? Diese Fragen will dieser Beitrag beantworten – mit Hilfe von maßgeschneiderten Diagrammen, die es so vermutlich noch nirgends zu sehen gab.

Ein Hinweis vorab: Wer dazu neigt, Sportwissenschaftler, Trainings-Experten und physikalische Gesetze zu ignorieren (wie es auch viele Redakteure von Rad-Zeitschriften tun), ist hier falsch und sollte besser nicht weiterlesen. Wer dagegen Verbesserungspotentiale ausschöpfen will und ein praxistaugliches, in einem breiten Spektrum einsetzbares Getriebe sucht, das auch für steile Berge geeignet ist, wird hier hoffentlich die nötigen Anregungen finden.

Die Details der Berechnungen und die zugrunde liegende Datenbasis werden – anders als bei Artikeln in Radzeitschriften – in diesem Beitrag ausführlich dargestellt. Die Fakten belegen, welche Empfehlungen für durchschnittliche Fahrer richtig sind...

 

Breites Angebotsspektrum

Früher waren Super-Kompakt-Kurbeln, mit Zähnezahlen von weniger als 34 auf dem kleinen Blatt, kompromissbehaftete Exoten. Inzwischen wurden sie durch die Entwicklung der Schaltungstechnik zur ernsthaften Alternative für den Einsatz am Berg. Verantwortlich dafür sind die Zunahme der Ritzelzahl und die vergrößerte Bandbreite der Kassetten (die erst durch höhere Ritzelzahlen "fahrbar" wurde).

Dadurch wurden Zweifachkurbeln mit kleinen Zähnezahlen für ein breites Publikum praxistauglich. Inzwischen haben viele namhafte Hersteller wie Easton, FSA, Miche, PraxisWorks, Specialites T.A. und Rotor Super-Kompakt-Kurbeln im Programm – ebenso wie die drei großen Gruppen-Hersteller: Für die Straße Campagnolo seit Juli 2019 ("Chorus" mit 48+32 Zähnen), für den Gravel-Bereich Shimano seit Juni 2019 ("GRX" mit 48+31 und 46+30) und Sram seit Mai 2020 ("Force wide" mit 46+33 und 42+30). Gravel-Kurbeln sind natürlich auch am Straßenrennrad nutzbar.

Im folgenden Diagramm sind alle Zweifach-Kettenblatt-Kombinationen für die gängigen Rennrad-Lochkreise enthalten. Die "krummen" Zähnezahlen von Shimano und Sram wurden nicht extra dargestellt, wo 31 und 33 Zähne liegen, lässt sich leicht aus den geraden Zähnezahlen mitteln.

Dargestellt werden dagegen auch Kurbeln mit weniger als 30 Zähnen auf dem kleinen Blatt, obwohl diese nur ein Nischendasein führen. Die grau hinterlegten Kombinationen könnte man – in Fortführung von "Mikro-Kompakt" – als "Nano-Kompakt" bezeichnen, sie erweitern das Spektrum nach unten, für steile Berge oder schwächere Leistungsklassen.

Die kleinste Kettenblatt-Kombination geht nur mit einem Mountainbike-Lochkreis (der auch noch weitere Kombinationen ermöglicht), sie überschreitet jedoch (ebenso wie die kleinste Rennrad-Kombination) das Kapazitätslimit der meisten (Zweifach-) Umwerfer. Trotzdem kann die Kettenblatt-Kombination 40+22 unter besonderen Umständen auch für leistungsstarke Fahrer hilfreich sein – wie sich noch zeigen wird...

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Tipp: Die Diagramme am besten in einem neuen Browser-Fenster öffnen und dieses parallel zum Text sichtbar lassen – ohne ständiges Hin- und Herscrollen sind die umfangreichen Erläuterungen und Bewertungen besser nachvollziehbar.

Erläuterungen zum Kurbel-Diagramm:

  • Um überhaupt vergleichen zu können, wurde überall mit einer identischen Ritzel-Kassette gerechnet. Da es hier um die Bergtauglichkeit für ein breites Publikum geht, fiel die Wahl auf eine Kassette mit 11-32 Zähnen. Diese ist zumindest für weniger ambitionierte Fahrer einigermaßen "fahrbar", siehe Spalte rechts.
     
  • Die Trittfrequenz von 70 bis 100 U/min (oranger Bereich) orientiert sich an den üblichen Empfehlungen, siehe Spalte rechts. Zusätzlich sind 50 bis 70 U/min (roter Bereich, nur für den jeweils kleinsten Gang) angegeben, die die meisten Fahrer nur im Wiegetritt nutzen (sollten). Weniger als 50 U/min zu betrachten, macht aus Sicht der Orthopädie, Biomechanik und Effizienz keinen Sinn. Wer das anders sieht, fährt vermutlich noch heute die Kettenblatt-Kombi 52+42 und wird mit diesem Beitrag nichts anfangen können...
     
  • Die Geschwindigkeitsangaben gelten für den "klassischen" Reifenumfang 2,12 Meter, weitere Anmerkungen dazu siehe Spalte rechts.
  • Die Geschwindigkeiten für den (spätesten) Wechsel zwischen den Blättern sind im Diagramm durch Dreiecke markiert. Ein Blattwechsel unterhalb von 70 U/min dürfte eine Ausnahme sein: Da befindet man sich schon im Wiegetritt mit zuviel Druck auf der Kette, im "roten Bereich" wird meist nur kurzzeitig an steilen Wellen gefahren, vor längeren Anstiegen hat man (hoffentlich) schon aufs kleine Blatt geschaltet.
     
  • Bei der Bandbreite der Kettenblätter wurden die jeweils zwei "schrägsten" Gänge nicht genutzt. Diese "traditionelle" Beschränkung (die u.a der Ritzel-Hersteller Miche empfiehlt) macht wegen des erhöhten Kettenschräglaufs immer noch Sinn, auch wenn mancher Hersteller behauptet, die Kassette sei auf jedem Blatt in ganzer Breite voll nutzbar (oder, wie Campagnolo bei 11-fach, über 10 Ritzel Breite).
     

Zur Verfügbarkeit der Kettenblatt-Kombinationen:

  • Die ersten fünf dargestellten Kombinationen sind "serienmäßig" erhältlich, als Teil einer Gruppe der großen Gruppenhersteller oder als Nachrüst-Angebot von auf Kurbeln spezialisierten Komponentenherstellern. Einen (nicht ganz vollständigen) Überblick zu den Nachrüst-Kurbeln lieferte das Magazin TOUR im Heft 02/2019.
     
  • Weniger als 30 Zähne auf dem kleinen Blatt sind (derzeit) nur mit speziellen Lösungen möglich, die zum Beispiel Spezialisten wie Radplan Delta maßgeschneidert anbieten. Man kann sich einen solchen Antrieb aber auch selbst zusammenstellen:
     
  • Die Kombinationen 48+32 bis 42+24 sind mit den "alten" Rennrad-Dreifach-Standards möglich (mit 74 mm Lochkreis auf dem kleinen Blatt, den Shimano immer noch verwendet, während Campagnolo von Modelljahr 2013 bis 2017 eine exotische Dreifach-Lösung im Programm hatte). Das große Blatt wird hier einfach weggelassen (siehe Beispiel im Bild oben rechts) oder durch einen Kettenschutzring ersetzt.
     
  • Mit dem "alten" MTB-Dreifach-Standard 64/104 mm sind ähnliche Kombinationen möglich, hier geht 46+30 bis 40+22. Mit Lochkreis 64/104 sind auch echte Zweifachkurbeln verfügbar (die auf dem großen Blatt mit MTB-Dreifach-Blättern bestückt werden, um rennradtauglich große Übersetzungen zu ermöglichen). Bei 42+24 und 40+22 kann der Umwerfer sein Limit überschreiten, ein Dreifach-Umwerfer kann das Problem vermutlich lösen.
     
  • Beim Umwerfer könnte es auch noch ein zweites Probem geben: Möglicherweise ist die nötige niedrige Position bei einem festen "Anlötsockel" nicht zu erreichen, hier sind mit Schelle montierte Umwerfer im Vorteil – und damit die alten, klassischen Rundrohr-Rahmen. Diese Rahmen haben meist auch keine voluminösen Kettenstreben, die den Umwerfer in der tiefen Position einengen können.
     
  • Die Verwendung eines "alten", etablierten Kurbel-Standards hat ebenfalls Vorteile: Während es für moderne Kurbeln (auch bei vielen Nachrüst-Kurbeln) Ersatz für die Kettenblätter oft nur beim Original-Hersteller gibt, bieten die alten Standards mehr Auswahl und die Sicherheit, auch in vielen Jahren noch Ersatzteile beschaffen zu können. Wer eine klassische Vierkant-Kurbel verwendet, hat diese Freiheit auch beim Tretlager – und bei hochwertiger Wahl zudem mehr Leichtlauf als bei den meisten Großserien-Tretlagern. Auch beim Gewicht sind die alten Standards nicht unbedingt schlechter: Die Kurbelgarnitur im Bild oben rechts wäre im TOUR-Vergleich als "relativ leicht" im Mittelfeld gelandet, obwohl sie die günstigste Lösung ist. Shimanos GRX-Kurbel dagegen ist satte 160 Gramm schwerer und hätte mit 898 Gramm im Test die rote Laterne bekommen. Die Steifigkeit (die mittlerweile selbst für TOUR wieder unwichtig ist, da nicht mehr bewertet) wird für Hobbyfahrer völlig ausreichen, Eddy Merckx hatte definitiv weichere Kurbeln...
     
  • Noch ein Hinweis: Kettenblätter, die als "10-fach" verkauft werden, sind oft auch 11-fach-tauglich (z.B. die Kombination Campagnolo-11-fach-Kette mit 10-fach-Kettenblättern von Campagnolo oder Specialites T.A.). Die Kette liegt hier nur etwas "satter" auf dem Blatt, beim Schaltvorgang gibt es jedoch keine Probleme. Wer 12-fach (Campagnolo oder Sram) fährt und eine kleinere Kurbel wünscht, könnte diese eventuell mit 11-fach-Kettenblättern realisieren (bitte selbst ausprobieren, mgf hat dies NICHT getestet).

 

Bewertung der Kettenblatt-Kombinationen:

Schon aus dem relativ einfachen Diagramm lässt sich einiges ablesen:

  • Die Mindestgeschwindigkeit auf dem kleinen Blatt scheint sich auf den ersten Blick gar nicht so sehr zu ändern – bei 30 statt 34 Zähnen und 70 U/min reduziert sie sich nur um rund 1 km/h. Aber weil das 13% sind, macht es am Berg trotzdem einen großen Unterschied, wie sich weiter unten zeigen wird.
     
  • Während bei großen Kettenblatt-Kombinationen, bis zu Kompakt 50+34, der mittlere Geschwindigkeitsbereich zwischen 20 und 35 km/h (grün markiert) auf beiden Blättern gefahren werden kann, wird das kleine Blatt bei Super-Kompakt immer mehr zum echten Berg-Blatt, das nur aufgelegt wird, wenn es länger bergauf geht.
     
  • Je kleiner das große Blatt, umso mehr kann es im mittleren und unteren Geschwindigkeitsbereich genutzt werden. Je mittiger der grüne Geschwindigkeitsbereich (20 und 35 km/h) zum orangen Balken des großen Blattes liegt, umso besser. Denn so werden die kleineren Ritzel mehr genutzt, die Kette läuft weniger schräg – und damit mit weniger Verschleiß.
     
  • Mit abnehmender Zähnezahl auf dem großen Blatt nimmt dessen Nutzbarkeit zu, auch das ist im Alltagsbetrieb interessant: Im hügeligen Gelände werden viele Fahrer auf einem 46er Blatt fast alles fahren können, wenn sie an kurzen Wellen auch mal in den Wiegetritt gehen. Weniger Blattwechsel bedeuten mehr Schaltkomfort (da gar nicht geschaltet werden muss).
     
  • Die Überschneidung zwischen beiden Blättern nimmt mit abnehmender Zähnezahl ab (wenn die Zähnezahl-Differenz zwischen den Blättern gleich bleibt oder zunimmt). Dadurch reduziert sich das Geschwindigkeitsfenster, in dem ein Blattwechsel erfolgen muss. Dieser scheinbare Nachteil von Super-Kompakt ist jedoch selten kritisch. Von 53+39 bis 44+28 dürften die Fenster für die meisten Fahrer breit genug sein, darunter ist etwas Aufmerksamkeit erforderlich, um den richtigen Zeitpunkt für den Blattwechsel zu treffen und "schräge" Gänge zu vermeiden.
     
  • Eine Maximalgeschwindigkeit über 50 km/h ist aus Sicht von mgf für die Mehrheit der Hobbyfahrer nicht sehr sinnvoll (da sie nur im Gefälle erreicht wird, wo eine aerodynamische Sitzposition meist schneller macht). Blätter von 44 Zähnen aufwärts sollten die meisten Bedürfnisse abdecken.
     
  • Hier nicht zu sehen, weil einzelne Übersetzungen nicht eingezeichnet sind (das würde wegen der Trittfrequenz-Bandbreite zu unübersichtlich): Die Abstände zwischen den einzelnen Gängen sind auf kleineren Blättern automatisch feiner gestuft – was Vor- und Nachteile hat: Auf einem 42er oder 44er Blatt fallen die Gangsprünge angenehm aus. Selbst bei Kassetten mit großer Bandbreite, die bei 11-fach immer noch etwas grob gestuft sind, gibt es kaum noch störende Sprünge. Auf einem Blatt mit weniger als 28 Zähnen sind die Gangsprünge dagegen schon etwas zu fein. Trotzdem harmoniert eine "kleine" Blatt-Kombination insgesamt besser mit einer "breiten" Kassette.
     
  • Ein potentieller Nachteil von kleinen Kettenblättern (mit 34 Zähnen und weniger) sind möglicherweise entstehende 1:1 Übersetzungen in sehr kleinen Gängen. Diese werden von Radplan Delta als "mechanischer Unfug" angesehen, mgf sieht das nicht so kritisch, solange mit wenig Last gefahren wird. Das ist an der Muro di Sormano nicht mehr der Fall, aber für so einen extremen Anstieg empfiehlt sich sowieso eine echte Untersetzung.

Die obigen Überlegungen machen deutlich: Kleine Kettenblätter haben eine Reihe von Vorteilen. Mit den genannten Kriterien erscheint 44+28 als sinnvolles Limit für die Alltagstauglichkeit. Die vielfach angebotenen Kombinationen 48+32 und 46+30 scheinen den "goldenen Mittelweg" zu bilden. Wer regelmäßig in den Bergen unterwegs ist und seine üblichen Berg-Geschwindigkeiten (und Trittfrequenzen) kennt, kann mit dem obigen Diagramm sicher schon recht gut abschätzen, ob eine Super-Kompakt-Kurbel für ihn eine Verbesserung bringen könnte.

Für manchen wirken die Unterschiede zwischen den Kombinationen im obigen Diagramm auf den ersten Blick vielleicht recht gering, schließlich geht es da "nur" um ein paar km/h. Am Berg jedoch sind diese kleinen Unterschiede entscheidend. Das zeigt sich deutlich, wenn man den unteren Geschwindigkeitsbereich für den jeweils kleinsten Gang genauer unter die Lupe nimmt...

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Das besondere fällt erst auf den zweiten Blick auf: Die Kettenblätter sind kleiner als üblich, das große hat nur 46 Zähne, das kleine 30. In Verbindung mit einer vernünftig abgestuften Elffach-Kassette geht hiermit ziemlich viel. Und weil diese Kurbel eigentlich eine Dreifachkurbel ist (bei der die Position für das äußere Blatt leer blieb), wären für extreme Steigungen mit wenig Umrüstaufwand auch noch kleinere Kombinationen möglich, bis hin zu 42/24! Wer einen modernen Rahmen mit ebensolchem Tretlager fährt, hat diese Option kaum...

 

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Streitfall: Die richtige Trittfrequenz

Bei dem links dargestellten Kurbel-Diagramm hat mgf die derzeit bestehenden Empfehlungen für Trittfrequenzen abgebildet. Allerdings sind sich die Experten nicht ganz einig, was die optimale Trittfrequenz für Hobbyfahrer angeht:

  • Das Magazin TOUR schreibt in dem bereits genannten Artikel zu Super-Kompakt-Kurbeln (Heft 02/2019): "Die meisten Radfahrer bringen – egal wie stark sie sind – ihre Kraft am effizientesten im Bereich zwischen 80 und 100 Kurbelumdrehungen pro Minute aufs Pedal."
     
  • Die meisten anderen Artikel (u.a. TOUR 5/2013, RoadBIKE 11-12/2007) zitieren Sportwissenschaftler, die für Ausdauerleistungen als sinnvolle Untergrenze am Berg 75 U/min ansehen, nur einmal (RoadBIKE 08/2008) werden 70 U/min genannt.
     
  • Selten wurden von Redakteuren (nicht von Sportwissenschaftlern) auch noch 60 U/min als "Untergrenze für einen ökonomischen Tritt" genannt (TOUR-Spezial Alpen 2010) – hier war wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens.
     
  • Die ETH Zürich (TOUR 07/2012) hat wissenschaftlich belegt, was viele Rennradfahrer aus Erfahrung wissen: Die optimale Trittfrequenz nimmt (in geringem Maß) mit der Leistung zu und mit der Steigung ab. Diesen Zusammenhang ignorierte TOUR 02/2019.
     
  • Eine schon etwas ältere Umfrage unter Hobby-Triathleten im Internet-Forum 3athlon.de ergab 2005: Für 82,5% lag die "Wohlfühltrittfrequenz" im Flachen zwischen 80 und 100 U/min, nur 10% kurbelten langsamer.

Um möglichst allen Empfehlungen gerecht zu werden, liegt der "Normalbetrieb" im Kurbel-Diagramm (links) zwischen 70 und 100 U/min Trittfrequenz, daneben ist ein roter Bereich dargestellt, der bis 50 U/min reicht. Das ist zwar weit außerhalb dessen, was ein Sportwissenschaftler als sinnvoll und gesund ansehen wird, aber es lässt sich nicht leugnen, dass viele Hobbyradsportler mehr oder weniger oft so langsam kurbeln – und auch irgendwie den Berg hoch kommen...

Wer also partout meint, 60 U/min wären für ihn am Berg im Dauerbetrieb machbar, kann die Diagramme trotzdem verwenden. Klar muss allerdings sein: Wer derart langsam kurbelt, arbeitet ineffizient und verschenkt Leistung. Bevor man Aero-Räder kauft oder anfängt, um ein paar hundert Gramm zu feilschen, sollte man lieber zuerst mal den Fahrer "tunen". Ein leistungsgerechtes Getriebe kostet weniger und bringt mehr. Das Thema Trittfrequenzen wird in einem späteren Beitrag durch mgf noch etwas intensiver beleuchtet.

 

 

Leistung am Berg

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Die Leistungskurven der Männer im oberen Diagrammteil basieren auf den Daten des Ötztaler Radmarathons 2018 (Details siehe Spalte rechts). Die 70%-Leistungskurve (orange) z.B. beschreibt die Steigung, die 70% der Ötztaler-Finisher mindestens mit der jeweiligen Geschwindigkeit schaffen (30% sind langsamer, aber viele innerhalb der 70% natürlich auch schneller – alle, die sich weiter rechts vom Schnittpunkt mit der Steigungslinie befinden). Die Kurven markieren jeweils die Grenze der Leistungsklassen, wer darüber oder darunter liegt, muss seine Werte mitteln. Eine etwas andere Darstellung des Zusammenhangs zwischen Leistung, Trittfrequenz und Übersetzung erfolgte bereits 2017 im Beitrag "Getriebe am Limit".

Die Leistungskurven der Frauen unterscheiden sich leicht von denen der Männer, deshalb gibt es ein eigenes Diagramm für Frauen. Die Unterschiede sind interessant: Die Bandbreite bei den Frauen ist geringer, ebenso wie die Leistung im vorderen Feld, aber die Leistung im hinteren Feld ist etwas höher als bei den Männern!

Die Darstellung der Trittfrequenzen für die Kettenblätter erfolgt von 50 bis 70 U/min (rot, gilt nur für den kleinsten Gang) und weiter bis 100 U/min (orange, Frequenz-Markierungen gelten nur für den kleinsten Gang).

Zu beachten: Die Darstellung im unteren Diagrammteil gilt nur für 32 Zähne als größtes Ritzel (siehe oben) und einen Reifenumfang von 2,12 Meter (siehe Spalte rechts). Wer andere Ritzelgrößen und Reifenumfänge bewerten will, kann mit dem oberen Diagrammteil arbeiten, muss aber zunächst die zugehörige Geschwindigkeit ausrechnen (z.B. mit kreuzotter.de). Alternativ könnte man auch den kompletten unteren Diagramm-Teil passend zu abweichenden Ritzeln/Reifen skalieren (wie in Spalte rechts für Reifenumfänge beschrieben).

 

Ernüchternde Erkenntnisse...

Die Kombination des speziellen Leistungs-Diagramms mit der Darstellung der Kurbel-Bandbreite ermöglicht schnelle und einfache Aussagen, mit welcher Kurbel was möglich ist. Die Erkenntnisse sind ernüchternd, teilweise auch schockierend...

  • Mit Kompakt-Übersetzung 34/32 kurbelt der durchschnittliche Ötzi-Finisher bereits ab ca. 7,3% Steigung unterhalb des Limits von 70 U/min (9,4 km/h). Wer sich die von Granfondo-Teilnehmern aufgelegten Gänge "live" ansieht, wird bestätigt finden, dass die meisten schon bei weniger als 8% Steigung im kleinsten Gang fahren – weil sie keine echten Berggänge haben.
     
  • 50% der Ötztaler-Teilnehmer erreichen an einem 10%-Anstieg maximal 7,2 km/h (Schnittpunkt der grünen 50%-Kurve mit der 10%-Steigungslinie). Um im 10%-Anstieg mit 70 U/min pedallieren zu können, benötigen sie eine Untersetzung von bis zu 26/32. Wer mehr leistet, kommt mit einem größeren Gang aus (z.B. mit 34/32 und mehr in der 10%-Klasse). Wer weniger leistet, braucht eine noch größere Untersetzung (z.B. in der 70%-Klasse bis zu 24/32) oder muss mit ineffezient niedriger Frequenz treten (z.B. in der 90%-Klasse mit unter 50 U/min, wenn 32/32 montiert ist).
     
  • Um an einem 12%-Anstieg mit 70 U/min kurbeln zu können, brauchen auch viele Teilnehmer der 10%-Klasse eine Untersetzung von 30/32. Wieviele das mit einer 1:1 Übersetzung (32/32) schaffen, lässt sich im Diagramm nur grob abschätzen, der Punkt ist schon recht weit von der 10%-Kurve entfernt. Rechnung und Abgleich mit der Ergebnisliste zeigen: so fit sind nur 5%!
     
  • Fahrer, die beim Ötztaler gerade noch in der 10%-Klasse liegen, können am Monte Zoncolan (steilste Rampe durchschnittlich 15,4% Steigung auf 5 km) mit der Extrem-Kombi 22/32 gerade noch im effizienten Bereich pedallieren. Mit dieser Untersetzung könnten sie sich sogar an den extrem steilen Scanuppia-Anstieg wagen, der 1,5 km mit mehr als 24% enthält – auch wenn die Frequenz dort leicht unter 50 U/min sinkt und das größte Problem im Abheben des Vorderrads bestehen dürfte...
     
  • Leicht unterdurchschnittliche Ötztaler-Finisher der 30%-Klasse brauchen die MTB-Kombi 22/32 bereits am Passo del Mortirolo, wenn sie an dessen steilster Rampe (12,8% auf 5 km) mit mehr als 60 U/min treten wollen.
     
  • Wer beim Ötztaler zu den hinteren 30% gehört und die Muro di Sormano (fast 16% auf 2 km) bezwingen will, benötigt – wenn er 50 U/min als unteres Limit ansetzt – eine Kurbel mit 42+24 Zähnen (oder weniger). In Kombination mit einem 32er Ritzel wird damit auch die steilste Rampe (20% auf 200 m) irgendwie fahrbar, wenn auch längst außerhalb des effizienten Bereichs.
     
  • Auch vieles, was Rad-Zeitschriften leichtfertig behaupten, lässt sich mit dem Diagramm überprüfen: RoadBike schreibt in Heft 06/2020 (s. 47): "Ein kleines Blatt mit 30 Zähnen, zusammen mit dem 36er Ritzel reicht, um auch 20-Prozent-Rampen mit Anstand zu bezwingen." Mit dieser Übersetzung und dem im Test montierten 40-mm-Reifen sind für 50 U/min 5,6 km/h erforderlich (wer nicht selbst rechnen will: kreuzotter.de). Aber diese Geschwindigkeit schaffen weniger als 5% der Ötzi-Teilnehmer!
    Der Ötzi-Durchschnitt kommt mit 30/36 nur bis gut 13% Steigung auf 50 U/min, an der 20%-Rampe fährt er außerhalb des Diagrammbereichs mit (geschätzt) nur 3,7 km/h (und ineffizienten 33 U/min). Die breite Masse mit weniger Leistung schafft den 20-Prozenter sicher nicht mehr "mit Anstand".

Das letzte Beispiel deutet es schon an: Irgendwie kann man natürlich auch mit einem "dickeren" Gang, mit geringerer Trittfrequenz und/oder kurzzeitig erhöhter Leistung, eine steile Rampe bezwingen. Aber dabei kann man schnell sein Limit überschreiten, wofür man später die Quittung bekommen wird, in Form von Krämpfen oder eines Leistungseinbruchs. Wer, wie in den Beispielen oben, mit der Dauerleistung rechnet, ist auf der sicheren Seite, da darf die steile Rampe ziemlich lange dauern.

 

Für die Zuordnung der eigenen Leistung zu einer der Leistungskurven gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • Wer weiß, welche Geschwindigkeit er an einer bestimmten (flacheren) Steigung dauerhaft halten kann oder das im Selbstversuch testet, findet nahe des Schnittpunkts von Geschwindigkeit und Steigung hoffentlich eine Kurve.
     
  • Wer ein Powermeter am Rad hat und seine Leistung (in einer dem Ötztaler vergleichbaren Situation!) kennt, kann sein System-Leistungsgewicht ausrechnen und mit den in der Spalte rechts genannten Zahlen abschätzen, welche Leistungskurve am ehesten zu ihm passt. Da die theoretische Rechnung von mgf gegenüber real gemessenen Leistungsdaten leicht abweicht, sollten von den Powermeter-Werten ca. 5% abgezogen werden.
     
  • Näherungsweise kann man auch die Plazierungen verwenden, die man bisher bei Granfondos der anspruchsvolleren Kategorie erzielt hat: wer auf der Langstrecke von z.B. Nove Colli, Maratona dles Dolomites oder Granfondo Stelvio Santini am Beginn des hinteren Drittels ins Ziel gekommen ist, dürfte mit der 70%-Kurve recht gut hinkommen.

Wer "seine" Kurve ermittelt hat, kann weitere individuelle Betrachtungen für steileres Terrain anstellen und so seinen persönlichen Berggang für den nächsten Granfondo oder die nächste Alpen-Tour finden.

 

Da die Teilnehmer des Ötztaler Radmarathons eher die oberen Leistungs-Klassen repräsentieren, werden sich manche weniger leistungsstarke Radsportler in den Kurven, die einigen praktischen Zwängen unterliegen (siehe Spalte rechts), eventuell nicht wiederfinden. Ein anderer Weg zur Ermittlung des individuell besten Berggangs wird auf mondogranfondo.de zu einem späteren Zeitpunkt noch aufgezeigt werden (wenn die jüngsten Entwicklungen der Schaltungstechnik in den bereits 2009 entwickelten Diagrammen berücksichtigt sind).

Das Ergebnis wird, egal welchen Weg man wählt, immer dasselbe sein: Wer zu den weniger leistungsstarken Fahrern gehört und es beim Ötztaler nicht in die vordere Hälfte des Feldes schafft, sich an steile Anstiege wagt, mit Gepäck fährt oder bei mehrtägigen Alpentouren Reserven für schlechte Tage benötigt, sollte eine deutliche Untersetzung am Rad haben. Ob diese nur für den Ausnahmefall montiert wird oder in Form eines Allround-Getriebes ständig parat sein soll, ist Geschmackssache. Für mgf ist die zweite Lösung die bessere Wahl.

 

Antriebe sind Auslegungssache...

Problematisch wird die Suche nach einem Allround-Getriebe für weniger leistungsstarke Fahrer: Bei den für sie an steilen Bergen gut geeigneten Kurbel-Varianten 44+28 und 42+26 fehlt ein großer Gang, der dauerhaft mehr als 50 km/h zulässt. Aber in diese Geschwindigkeitsbereiche werden weniger leistungsstarke Fahrer nur in der Abfahrt vorstoßen. Diesen Kompromiss muss man bei "Nano-Kompakt" eingehen...

Wichtig: Es macht keinen Sinn, sein Rennrad-Getriebe nach theoretischen Werten auszulegen, die unter klinischen Bedingungen ermittelt wurden. Der kleinste Gang sollte auch unter erschwerten Bedingungen, an einem nicht ganz so guten Tag oder bei ungünstigem Wetter eine ökonomische Leistungsentfaltung ermöglichen. Für mgf sind die Prioritäten bei der Auslegung des Antriebs klar:

  1. Der kleinste Gang muss für die schlimmste Rampe des Granfondos (oder wahlweise auch des Rad-Jahres) passen. Wer nur einen Standard-Laufradsatz im Einsatz hat und nicht viel schrauben will, wird das größte Ritzel eventuell die meiste Zeit ungenutzt "spazieren fahren". Dafür muss man bei der Streckenplanung nicht viel nachdenken, weil selbst überraschend auftauchende Mauern jederzeit bezwungen werden können.
     
  2. Die Kassette sollte im mittleren Bereich einigermaßen fein gestuft sein. Bei den kleinsten Gängen kann man größere Sprünge verschmerzen – solange man nicht gerade bei einem steilen Bergzeitfahren antritt. Eine 11-fach-Kassette mit großer Bandbreite ist zwar nicht wirklich fein gestuft, aber für die meisten Fahrer dürfte sie "fahrbar" sein, siehe Spalte rechts.
     
  3. Der größte Gang ergibt sich aus 1. und 2. praktisch automatisch. Oft hat man kaum eine Wahl, Shimano z.B. bietet Berg-Kassetten mit 12er Abschluss-Ritzel gar nicht an, mit dem größten Ritzel sind meist auch schon die übrigen Zähnezahlen festgelegt. Mehr Freiheit erfordert etwas Aufwand, für selbst zusammengestellte Kassetten, z.B. von Miche oder Specialites T.A. – mehr zum Thema Kassetten-Abstufungen siehe Spalte rechts.

Nur wer ganz vorne mitfährt, wird sein Getriebe eher am Limit auslegen und vielleicht bereit sein, auf einen echten Berggang zu verzichten, wenn die Strecke nur eine kurze steile Rampe enthält, an der man sich quälen muss. Mit einem feiner gestuften Getriebe kann man die verlorene Zeit an weniger steilen, aber längeren Anstiegen durch effiziente Trittfrequenzen mehr als wettmachen. Wenn jedoch Fedaia, Mortirolo, Muro di Sormano oder Zoncolan im Streckenplan stehen, werden auch Top-Fahrer auf einen passenden kleinsten Gang achten.

 

Alle weniger leistungsstarken Fahrer sind gut beraten, immer mit etwas Reserve zu kalkulieren. Beim Ötztaler kommt nach dem moderaten Jaufenpass noch das erheblich anspruchsvollere und streckenweise steilere Timmelsjoch, dort können die wenigsten Ötztaler-Teilnehmer ihre Leistung vom Jaufen wiederholen. Das Timmelsjoch enthält mehrere kilometerlange Rampen mit 10% Steigung. Mit bereits drei Pässen in den Beinen wird kaum noch jemand die mit einer Kompaktkurbel 50+34 für 70 U/min in einer 10%-Rampe nötige Leistung mobilisieren können.

Die dafür nötige Leistung schafften am Jaufenpass 2018 zwar rund 10% der Finisher, aber am Timmelsjoch waren nur noch 2,8% in der Lage, diese Leistung zu bringen (2,8 W/kg System, als Durchschnitt für den unrhythmischen Gesamtanstieg, leider kann nur der ermittelt werden). Wenn die besten 10% der Teilnehmer am Timmelsjoch ohne Stop durchgefahren sind (was angenommen werden darf), gab es an der Spitze einen deutlichen Leistungseinbruch.

Weiter hinten im Feld hat man sicher einen Stop an der Verpflegungs-Station eingelegt. Wenn man in der Mtte des Feldes mit 10 Minuten Aufenthalt rechnet, ergibt sich ein mittleres System-Leistungsgewicht (das 50% der Teilnehmer erreichten) von 2,11 W/kg, auch das liegt deutlich unter dem Mittel am Jaufenpass (2,22 W/kg ohne Stop).

Eins ist sicher: Wer auch am letzten Anstieg noch mit höherer Frequenz treten kann – und wenn es nur wenige Umdrehungen pro Minute sind – wird leichter über den Berg kommen. Hier kann der richtige Gang über Zielankunft oder Besenwagen entscheiden. Für solche anspruchsvolle, wechselnde Bedingungen und mit den nötigen ausreichenden Reserven muss ein Antrieb ausgelegt sein, nicht nur für Idealfälle!

 

Das beste Berggetriebe?

Damit kommen wir zur Titel-Frage: Ist Super-Kompakt superb am Berg? Für die Mehrheit der Granfondo-Teilnehmer lautet die Antwort "Ja und Nein", je nach Sichtweise...

Ja – wenn man Super-Kompakt-Kurbeln mit anderen Zweifachkurbeln vergleicht. Besonders, wenn man die nur von Spezialisten angebotenen, noch kleineren Varianten als Alternative ansieht. Diese Kurbeln – die vielleicht als "Nano-Kompakt" der nächste Trend werden? – bieten Vorteile für alle Fahrer, die...

  • anspruchsvolle Bergtouren planen, die steile Anstiege, mehrere Tage Dauer oder Mehrgewicht durch Gepäck beinhalten.
     
  • gewillt sind, auch am Berg mit einer effizienten Trittfrequenz von möglichst 70 U/min zu pedallieren und damit ihre Leistung zu optimieren, obwohl – oder gerade weil ! – sie eher zu den leistungsschwächeren Fahrern zählen.
     
  • einen Antrieb suchen, der gleichzeitig ausreichend feine Abstufungen im häufig gefahrenen Geschwindgkeitsbereich, seltene Blattwechsel und echte Berggänge bietet. Und dafür...
     
  • bereit sind, den kleinen Nachteil akzeptiert, dass im oberen Geschwindigkeitsbereich ein oder zwei Gänge fehlen (die es vor rund 20 Jahren aber auch noch nicht gab).

Fazit: Für die allermeisten Teilnehmer an Granfondos in den Bergen stellen Kurbeln mit 32, 30 oder noch weniger Zähnen auf dem kleinen Blatt eine sinnvolle Lösung mit erheblichem Verbesserungspotential dar – wenn sie zwei Voraussetzungen erfüllen, die mit hartnäckigen Tradition brechen:

Man muss auch am Berg mit lockeren Trittfrequenzen fahren wollen und können. Und man muss eine von den Profis leicht abweichende Optik akzeptieren und darf es nicht als persönliche Schande ansehen, wenn ein Profi, der oft über die doppelte Leistung und mehr verfügt, ein größeres Blatt drücken kann.

Angesichts des schon heute breit aufgestellten Angebots an Super-Kompakt-Kurbeln und der verschwimmenden Grenzen zwischen Rennrad und Gravel-Bike kann man fast sicher sein: Die noch kleineren Kurbeln werden sich bei Hobby-Fahrern genauso durchsetzen, wie es Kompakt-Kurbeln taten.

Nein – wenn man Super-Kompakt-Kurbeln mit einer anderen Lösung vergleicht, die jedoch mittlerweile leider kaum noch angeboten wird: Ein Dreifach-Antrieb wäre, wenn man die Möglichkeiten von 10-fach oder gar 11-fach nutzen kann, in den Bergen heute immer noch die bessere Wahl für weniger leistungsstarke Fahrer.

Warum das so ist, wird Thema eines späteren Beitrags sein. Aber es lässt sich schon aus dem Kurbel-Diagramm ablesen: Wenn man sich drei statt zwei Blätter aussuchen kann, muss man weniger Kompromisse eingehen und hat für jedes Terrain – im Hügelland, am steilen Berg und im flachen Gefälle – immer die besten Karten in der Hand...

 

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Leistungs-Basis

Um die verschiedenen Übersetzungen vergleichen zu können, wurde das Kurbel-Diagramm mit einem Leistungsdiagramm kombiniert. Zur besseren Anschaulichkeit wurden Leistungsklassen dargestellt, die bei großen Radmarathons anzutreffen sind. Aber natürlich könnte man für die Kurven auch direkt das zugehörige System-Leistungsgewicht angeben (exakte Werte siehe Tabelle weiter unten).

Eine etwas andere Darstellung der Leistungsdaten wurde bereits 2017 im Beitrag "Getriebe am Limit" präsentiert. Die neue Darstellung ermöglicht eine "stufenlose" Visualisierung des Zusammenhangs zwischen Trittfrequenz und maximal möglicher Steigung, dagegen wird die Leistung nur noch in fünf Klassen betrachtet.

Wichtig: Diese Kurven basieren auf den Gesetzen der Physik und auf realen Daten aus dem echten Granfondo-Leben! Im Gegensatz zu den Redakteuren von Rad-Zeitschriften, die gerne viel zu hohe Leistungswerte für den normalen Hobbyfahrer ansetzen (woher sie die Zahlen nehmen, bleibt meist unklar), hält sich mgf an die Realität. Über Zwischenzeiten an Anstiegen (sofern sie im Ergebnis erscheinen), kann jeder, der im Physik-Unterricht ein bisschen aufgepasst hat, die System-Leistung jedes einzelnen Teilnehmers ermitteln. Damit die Zahlen repräsentativ sind, muss der Anstieg nur ein paar Kritierien erfüllen (siehe weiter unten).

 

Die Leistungsrechnung ist simpel, weil am steilen Berg fast ausschließlich "Hub-Arbeit" verrichtet wird. Der Luftwiderstand kann bei Geschwindigkeiten unter 15 km/h praktisch vernachlässigt werden. Der Fahrwiderstand wurde dagegen von mgf mit Standard-Werten berücksichtigt.* Je nach dem tatsächlichen Fahrwiderstand können die realen Leistungswerte um wenige Prozent abweichen, diese Abweichungen sind am steilen Berg vernachlässigbar.

* Um den Fahrwiderstand im System-Leistungsgewicht berücksichtigen zu können, wurde ein pauschales Systemgewicht von 85 kg angenommen und als Standardwert für den Fahrwiderstand 7 Newton angesetzt. Mit diesen Werten kommt die Rechnung von mgf dem Online-Leistungsrechner kreuzotter.de (der auch den Luftwiderstand berücksichtigt) ziemlich nahe, die Abweichungen liegen unter 1,5 Prozent (bei Steigungen zwischen 7 und 12%).

Im Diagramm von 2017 wurde noch mit einem Fahrwiderstand von 5 N gerechnet, angelehnt an den von Michael Gressmann im Buch "Fahrradphysik und Biomechanik" (Delius Klasing Verlag 2002) für seinen Muster-Radfahrer ansetzten Wert von 5,3 N.

Die Rechnung erfolgte für den "klassischen" Reifenumfang von 2,12 Meter (Wert für Dimension 23-622 aufgerundet). Wer breite Reifen mit mehr Umfang fährt, muss mit etwas mehr Sicherheit kalkulieren – oder alternativ den unteren Teil des Diagramms mit einem geeigneten Programm/Hilfsmittel so skalieren, dass er zur Geschwindigkeitsskala passt. Bei der Positionierung kann man die 60-U/min-Marke der 1:1-Übersetzung (32/32) nutzen, denn dort ist die Geschwindigkeit (in m/s) gleich dem Radumfang. Beispiel: ein Reifen der Dimension 32-622 hat ca. 2,17 Meter Umfang: 2,17 / 2,12 = 102,4% Skalierungsfaktor für den unteren Diagramm-Teil. 2,17 m * 3,6 = 7,81 km/h, auf dieser Linie des oberen Diagramm-Teils muss die 60-U/min-Marke für das 32er Blatt des unteren Diagramm-Teils liegen.

 

Für die Leistungsberechnung wurden nur die Daten des Ötztaler Radmarathons 2018 verwendet, dennoch sind sie ziemlich allgemein gültig. Bei anderen anspruchsvollen Granfondos liegt die durchschnittliche Leistung auf einem ähnlichem Niveau, siehe Diagramm von 2017. Die Datenbasis wurde jetzt allerdings aktualisiert:

Das Diagramm von 2017 basierte auf den Daten vom Ötztaler 2009, in diesem Jahr lag das durchschnittliche Leistungsgewicht noch bei 2,38 W/kg System – offenbar ein Ausreißer nach oben. Für das neue Diagramm wurden die jüngsten verfügbaren Werte von 2018 verwendet. In den letzten sechs Jahren war das Leistungsniveau ziemlich konstant (der Ötztaler 2018 litt zwar unter extremem Wetter, Zeitverluste gab es dadurch jedoch offenbar nur in den Abfahrten).

Die Werte der einzelnen Leistungsklassen variieren bei den Männern über die Jahre nur um wenige Prozent (zwischen 1,2 und 4,9%). Dass die Leistung von Hobby-Fahrern keine großen Sprünge macht, ist ein gutes Zeichen, die Diagramme werden noch lange gültig bleiben. Bereits an den reinen Zahlen zu sehen: Die Leistung ist nicht gleichmäßig verteilt, im vorderen Feld steigen die Leistungswerte steil an (im Diagramm mit den Leistungskurven zeigt sich das durch den größeren Abstand zwischen den Kurven für 30% und 10%).

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Die Wahl der Referenzstrecke für die Leistungsberechnung fiel auf den Jaufenpass, weil dieser ausreichend lang ist (aber nicht zu lang) und zudem ein sehr ausgeglichenes, nicht zu schweres Profil aufweist, bei dem das Einlegen von Pausen oder Schieben, zu hohe Geschwindigkeiten (über ca. 15 km/h) oder Fahren mit einer zu großen, ineffizienten Übersetzung weniger wahrscheinlich sind.

Die gezeiteten Anstiege der Maratona dles Dolomites zum Beispiel sind im Vergleich zum Jaufenpass nicht ganz so gut geeignet: Der Passo Campolongo hat drei flachere Abschnitte, der Passo di Giau ist schon etwas zu steil.

Noch ein weiterer Grund für die Wahl des Jaufenpasses als Referenz: Am dritten Anstieg des Ötztaler Radmarathons kann man davon ausgehen, dass alle Teilnehmer im Dauerleistungs-Modus arbeiten und die Kurven nicht durch überambitionierte Schnellstarter verfälscht werden – zumindest nicht nach oben...

 

Die errechneten Werte sind mit nur kleinen Unsicherheiten behaftet:

  • Die Rechnung erfolgte mit den offiziellen Streckendaten des Veranstalters, der für den Jaufenpass 15,5 km und 1130 Hm nennt. Diese Werte werden durch das Höhenprofil von CyclingCols annähernd bestätigt. Andere Quellen (z.B. Zeitschrift RennRad, siehe unten) nennen teilweise andere Zahlen.
     
  • Die Rechnung erfolgte ohne Standzeiten. Im hinteren Feld wird jedoch sicher der eine oder andere Fahrer an dem 15,5 km langen Pass einen Zwischenstop einlegen, obwohl die Verpflegungsstation erst nach dem gezeiteten Abschnitt kommt. Die unteren Leistungskurven würden dadurch geringfügig angehoben, um den Prozentsatz, den die durchschnittliche Pause an der Gesamtfahrzeit einnimmt. Weil sich die Abweichung nur im niedrigen einstelligen Prozent-Bereich bewegen dürfte, wurde auf eine Korrektur verzichtet (auch weil die nötige Schätzung unsicher ist und über das Teilnehmerfeld variieren müsste).
     
  • In der Rechnung wurde der Luftwiderstand nicht berücksichtigt (siehe oben, das ist selbst für die 10% Kurve, die auf einer Geschwindigkeit von 13,1 km/h beruht, zulässig). Die Werte könnten zwar durch Gegen- oder Rückenwind beinflusst worden sein – aber das ist unwahrscheinlich, denn andere Jahre des Ötztalers lieferten nahezu identische Werte.

 

Die theoretische Rechnung von mgf wird durch reale Leistungsdaten, die während des Ötztaler Radmarathons gemessen wurden, mit nur wenigen Prozent Abweichung bestätigt: Die Zeitschrift RennRad veröffentlichte für 2018 und 2019 (jeweils Heft 11/12) die Leistungsdaten von Teilnehmern, darunter die des Siegers 2018 und acht weiteren Probanten, die in der vorderen Hälfte ins Ziel kamen. Auszüge des umfangreichen Artikels von 2019 gibt es bei radsport-rennrad.de.

Die gemessenen Durchschnittsleistungen am Jaufenpass lagen 0,8 bis 9,4 Prozent über den von mgf errechneten theoretischen Werten (die Abweichungen des Online-Leistungsrechner kreuzotter.de liegen zwischen 0,3 und 14,6%). Grund für die Abweichungen könnte eine Kombination der folgenden Einflüsse sein:

  • Gegenwind in schwankender Stärke,
     
  • Messungenauigkeiten der Powermeter (diese könnten für Streuungen unter den neun Probanten verantwortlich sein),
     
  • Fahrwiderstände und/oder Ausrüstungsgewicht erheblich oberhalb der von mgf angenommenen Werte.

 

Alle oben genannten Abweichungen und Unsicherheiten spielen jedoch im Grund keine große Rolle, denn ein anderer Faktor wird die kleinen Differenzen mehr als ausgleichen: Die beim Ötztaler ermittelte Durchschnittsleistung ist sicher höher als bei "normalen" Granfondos und Radmarathons. 238 km mit 5.500 Hm erfordern eine überdurchschnittliche Fitness, da kommen nicht alle bis ins Ziel. Nicht umsonst sehen viele den Ötztaler als "inoffizielle Radmarathon-Weltmeisterschaft" an.

Der Durchschnitt der breiten Rennradler-Masse, die in den Bergen unterwegs ist (und vielleicht nur weniger anspruchsvolle Granfondos fährt), liegt ganz sicher noch ein Stück unter der im Diagramm dargestellten 50%-Kurve. Aber eine echte Breitensport-Veranstaltung, bei der es sowohl einen geeigneten Anstieg als auch Zwischenzeiten dafür gibt, mit denen man die tatsächliche Leistungsfähigkeit der breiten Masse ermitteln könnte, hat mgf bisher leider noch nicht gefunden.

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Abstufung von Ritzel-Kassetten

Die Abstufung der Ritzel-Kassette kann in diesem Beitrag nicht im Detail beleuchtet werden. Weil das Thema jedoch auch nicht ignoriert werden darf, wird es in einem separaten Anhang behandelt.

Für die "Fahrbarkeit" spielt die Abstufung eine entscheidende Rolle. Das Problem besteht vor allem bei Berg-Kassetten mit großer Bandbreite, hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten etwas entschärft: Mit zunehmender Ritzelzahl wurden immer feiner gestufte Kassetten möglich. Dennoch sind die meisten Berg-Kassetten vor allem auf eine große Bandbreite ausgelegt, denn die wenigsten wollen auf schnelle Gänge verzichten. Mit Elffach ist ein für die meisten Fahrer tragbarer Kompromiss möglich, trotz größerer Bandbreite liegen die Gangsprünge auf dem früher von Neunfach gewohnten Niveau.

Die in diesem Beitrag als Referenz verwendete 11-fach Kassette mit 11-32 Zähnen erfüllt den Wunsch nach einem großen Ritzel und gleichzeitig großer Bandbreite. Für nicht ganz so ambitionierte Fahrer (also vermutlich das Gros der Granfondo-Teilnehmer) ist diese Kassette noch einigermaßen "fahrbar" abgestuft. Wer dagegen auf eine persönliche Bestzeit aus ist und sich nahe am Leistungslimit bewegt – und damit möglchst nahe an der optimalen Trittfrequenz – wird solche "breite" Kassetten sicher als zu grob gestuft empfinden. Mit 12-fach wird dieses Problem zwar nicht entschärft, aber doch erheblich gelindert.

Die Referenz 11-32 und andere Berg-Kassetten werden in Kombination mit Super-Kompakt-Kurbeln in einer separaten PDF-Datei (Größe 1 MB) beleuchtet. Die Diagramme wurden mit Hilfe des Ritzelrechners von Jürgen Berkemeier erstellt, der viele Einstellungen zulässt und für die Ermittlung der individuell besten Abstufung empfohlen wird. Die Diagramme gelten für eine Trittfrequenz von 85 +/- 5 U/min.

Beim "Durchblättern" im Diaschau-Modus zeigen sich die teilweise nur feinen Unterschiede zwischen den verschiedenen Kassetten-Abstufungen, deren Vor- und Nachteile – und dass 12-fach ein fast perfekter Allround-Antrieb ist. Auch mit dem Thema Kassetten-Abstufung wird sich mgf irgendwann später sicher noch etwas intensiver beschäftigen.

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Haben Redakteure im Physik-Unterricht gepennt?

Es ist immer wieder (fast) dasselbe: In regelmäßigen Abständen erscheinen in Rennrad-Zeitschriften Artikel zum Thema "Berg-Übersetzungen", in denen der wissenschaftliche Hintergrund (mehr oder weniger genau) erklärt wird und Empfehlungen für Hobbyfahrer ausgesprochen werden. Nur: die Konsequenzen aus den Erkenntnissen der Experten werden fast immer ignoriert, die Empfehlungen orientieren sich genau an dem, was (Massen-) Markt und große Hersteller gerade zu bieten haben. Vor Jahren wurde 34/27 empfohlen (selbst für den Monte Zoncolan!), weil das damals die kleinste in Großserie angebotene Zweifach-Übersetzung war, heute wird "für weniger trainierte Fahrer" 32/34 oder 30/32 empfohlen, die es früher nicht mal bei Dreifach-Antrieben in Serie gab.

Eins der jüngsten Beispiele lieferte das Magazin TOUR im Heft 02/2019. Im Artikel "Geht's noch kleiner?" (natürlich geht das!) auf Seite 26 ff. wird der "neue" Trend Super-Kompakt vorgestellt und Kurbeln von Komponentenherstellern getestet. Das Fazit des Artikels wurde in der "Artikelstrecke Marathon" unter dem Titel "Die richtige Übersetzung für Berge" im www veröffentlicht.

Zu Beginn wird in TOUR 02/2019 das Ziel definiert: "Da die meisten Radfahrer – egal wie stark sie sind – ihre Kraft am effizientesten im Bereich zwischen 80 und 100 Kurbel-Umdrehungen pro Minute aufs Pedal bringen, ist es sinnvoll, das Getriebe so an Fahrer und Einsatzzweck anzupassen, dass man auf jedem Terrain, bergauf wie bergab, einen Gang findet, mit dem man in diesem Bereich kurbeln kann." Abgesehen davon, dass die erste Aussage nicht ganz korrekt ist (die optimale Trittfrequenz ist abhängig von Leistung und Steigung, siehe oben), ist das ein sinnvolles, wenn auch sehr hoch gestecktes Ziel.

ABER: Dass dieses Ziel für die allermeisten Rennradfahrer mit keiner der getesteten Kurbeln zu erreichen ist, wird nicht erwähnt – und auch nicht, dass noch weniger als 30 Zähne möglich sind. Stattdessen werden Kurbeln mit 48+32 und 46+30 Zähnen als "ideal für weniger trainierte Fahrer, in den Bergen oder am Reiserad mit Gepäck" empfohlen. Wenn man das vom Redakteur formulierte Ziel ernst nimmt und zu "auf jedem Terrain" auch einen 10% Anstieg zählt, dann sind 90% der Ötztaler-Finisher schlechter als "weniger trainiert" – denn nur 10% kommen mit der Untersetzung 30/32 auf eine Trittfrequenz von min. 80 U/min!

Kann es sein, dass Redakteure von Rad-Zeitschriften so außergewöhnlich gut trainiert sind, dass sie selbst gar nicht mehr wahrnehmen, wo sich der Durchschnitt bewegt? Und die schwächere Hälfte, für die man doch eigentlich auch bergtaugliche Übersetzungen anbieten sollte, wird völlig ignoriert. Zur "journalistischen Sorgfaltspflicht" gehört, dass man sich zuerst ein objektives, neutrales Bild der Lage verschaffen sollte, bevor man Wertungen und Empfehlungen abgibt!

Tatsächlich wurden in früheren Artikeln von TOUR (z.B. "TOUR-Spezial Alpen" 2010) als Durchschnitt der Radmarathon-Fahrer ein viel zu hohes Leistungsgewicht von 3 W/kg Körpergewicht angegeben, bzw. ca. 2,7 W/kg System. Im Heft 08/2007 bezog sich derselbe Wert explizit auf die Teilnehmer der "Jeantext-TOUR-Transalp" 2007. Aber das Teilnehmerfeld einer Transalp ist keine Referenz für die breite Rennradler-Masse, schon beim Ötztaler liegen 83% unter 2,7 W/kg System.

Völlig ignoriert wird von den Redakteuren, dass die Teilnehmerfelder von TOUR-Transalp oder Ötztaler Radmaraton eher zum leistungsstärksten Teil der Hobbyfahrer gehören – und dass, wenn die Rechnung nur für einen Durchschnitt erfolgt, man damit für die schwächere Hälfte gar keine Lösung anbietet! Durch die Betrachtung der Leistungsklassen, die eine allgemeingültigere Bandbreite aufzeigen, hat mgf diesen Fehler vermieden. Aber perfekt ist auch diese Darstellung nicht, die Zwänge zur Verwendung der Ötztaler-Kurven wurden bereits weiter oben erläutert.

Dass die riesige Diskrepanz zwischen Anspruch (der Wissenschaft) und Realität (der verfügbaren Übersetzungen) von fast allen Redakteuren ignoriert wird, liegt wohl auch an einem Interessenkonflikt: Einerseits will man den Lesern Hilfe bieten, andererseits werden Inserate von den großen Komponentenherstellern bezahlt. Etwas zu empfehlen, was nur wenige Spezialisten und Nischenanbieter verkaufen, bedeutet Kritik an den eigenen Anzeigenkunden – und an festgefahrenen Überzeugungen vieler Leser. Und wenn man sich mit der Wahrheit bei den meisten seiner Kunden unbeliebt macht, spricht man sie wohl lieber nicht aus...

Deshalb haben wissenschaftliche Erkenntnisse von Experten für die Rad-Magazine im Fall der Übersetzungen nur noch die zweifelhafte Funktion, einem subjektiven und mit Vorurteilen behafteten Artikel einen auf den ersten Blick objektiven und seriösen Anstrich zu geben. Dass die Konzequenzen aus dem Expertenwissen von Komponentenherstellern und Redakteuren ignoriert werden, merken nur Leser, die sich selbst in anderen, seriösen Quellen schlau machen oder nachrechnen. Vielleicht kann dieser Beitrag von mondogranfondo.de ja ein bisschen helfen, den Anteil der kritischen Leser zu erhöhen – und auch den Anteil der Kunden, die im Handel die für Hobbyfahrer tatsächlich nötigen Untersetzungen nachfragen und kaufen!

 

 

 

m5

 

 

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