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Gut gerüstet zum Granfondo (29.07.17)

Was braucht der Hobby-Radsportler für die Teilnahme an einem Granfondo? Ausreichende Kondition und geeignetes Material, das ist klar - und soll hier kein Thema sein. Ein italienischer Granfondo stellt darüber hinaus ein paar besondere Anforderungen und Voraussetzungen - darunter einige, die (wie die nötige Kondition) nicht von heute auf morgen zu erlangen sind. Um diese geht es hier...

 

1. Die Lizenz zum Radfahren

Der wichtigste Unterschied zu Jedermannrennen in Deutschland sind Gesetze und andere Vorschriften: Die italienischen Gesetze gehören im Bereich des Sports zu den strengsten in Europa. In Italien ist für die Ausübung von Sport in organisierter Form - egal ob in der Schule, im Verein oder bei Veranstaltungen - eine sportärztliche Untersuchung erforderlich. Italienische Sportler erhalten die Tauglichkeitsbescheinigung nur nach relativ umfangreichen Tests und nur von einem staatlich anerkannten Sportmediziner oder Institut.

Über die Tauglichkeitsbescheinigung hinaus benötigen italienische Radsportler für die Teilnahme an Veranstaltungen - unabhängig ob es sich um ein Rennen mit Zeitnahme handelt oder nur um eine Ausfahrt mit RTF-Charakter! - außerdem eine Lizenz des nationalen Verbandes F.C.I. (Federazione Ciclistica Italiana). Damit ist der Radsport in Italien stärker reglementiert als der Motorsport hierzulande!

Für Teilnehmer aus dem Ausland gelten zum Glück nicht ganz so strenge Vorschriften. Während italienische Radsportler Lizenz und Sport-Attest benötigen, gilt für ausländische Teilnehmer bei den meisten Granfondos: Lizenz oder Attest. Eine Lizenz wird akzeptiert, sofern sie von einem UCI-authorisierten Landesverband ausgestellt wurde. Eine Tauglichkeitsbescheinigung wird von jedem Mediziner akzeptiert (nicht nur von "Amtsärzten", wie in Italien), sofern die wichtigsten vorgeschriebenen Untersuchungen durchgeführt wurden.

Das macht es für ausländische Teilnehmer etwas einfacher, an die geforderten Dokumente zu kommen. Als deutscher Teilnehmer sollte man dennoch am besten beides haben: eine BDR-Lizenz und ein Attest gemäß italienischem Gesetz. Damit ist man bei der Auswahl der Veranstaltungen (deren Reglement leider nicht einheitlich ist) nicht eingeschränkt. Eine ausführliche Beschreibung siehe separater Beitrag "Lizenz oder Attest".

 

2. Auf Nummer sicher gehen

In den Teilnahmebedingungen der meisten Granfondos wird der Besitz einer privaten Unfall- und Haftpflichtversicherung gefordert. Eine Haftpflichtversicherung hat sicherlich jeder. Allerdings muss geklärt werden, ob diese auch während einer Breitensport-Veranstaltung mit Wettkampf-Charakter im Ausland gilt. Hilfreiche Artikel zu diesem komplizierten Thema werden ab und zu in Radzeitschriften veröffentlicht (z.B. TOUR-Magazin 01/2013, Seite 108 ff.). Daher wird hier auf eine weitere Vertiefung dieser rechtlichen Frage verzichtet.

Eine Unfallversicherung, die auch Sportunfälle abdeckt, ist sinnvoll. Wie weit man dabei gehen will, hängt vom individuellen Sicherheitsbedürfnis und Geldbeutel ab. Die mit der BDR-Lizenz verbundene, rudimentäre Unfallversicherung gilt wohl nur für Veranstaltungen in Deutschland. Versicherungen, die alle Folgen eines Unfalls während eines echten Radrennens im Ausland abdecken, sind teuer oder gar nicht zu haben. Bei Breitensport-Veranstaltungen sieht das, trotz Zeitnahme, eventuell anders aus, auch hier ist eine Klärung mit dem Versicherungsvertreter nötig. Zu empfehlen ist in jedem Fall der Abschluss einer zusätzlichen Auslandsreise-Krankenversicherung, die Zusatzkosten einer Bergung, Behandlung und evtl. Rücktransport abdeckt und relativ günstig kommt (und die im weiteren Sinn auch zu den "Unfallversicherungen" gezählt werden kann). Zum Thema Kranken- und Unfallversicherungen gibt es ebenfalls Artikel in Radzeitschriften (z.B. TOUR-Magazin 06/2015, Seite 134 ff. und 01/2013, Seite 108 ff.).

Wenn Versicherungen in den Teilnahmebedingungen gefordert werden, sollte man sicherheitshalber Kopien der Versicherungspapiere bei der Abholung der Startnummer dabei haben. Allerdings ist es mgf noch nie passiert, dass ein Veranstalter überprüft hat, ob die geforderten Versicherungen vorhanden sind. Das wird schon durch das Kleingedruckte eines deutschen Versicherungsvertrags verhindert...

Bei manchen Veranstaltungen wird für Teilnehmer ohne Lizenz eine Zusatzversicherung gefordert, unabhängig von einer vorhandenen Unfall- und Haftpflichtversicherung. Diese Zusatzversicherung entspricht einer "Tageslizenz" für Ausländer (Für italienische Teilnehmer ist die Versicherung in der F.C.I.-Lizenz enthalten). Oft ist der Versicherungsbeitrag im Startgeld berücksichtigt, dann muss nur ein Formular ausgefüllt werden. Manchmal sind für die Tages-Versicherung jedoch ein paar Euro zusätzlich zu bezahlen.

 

3. Die Stilfrage

Bekanntlich wird in Italien besonderer Wert auf Kleidung, Stil und "bella figura" gelegt. Das gilt auch im Hobby-Radsport. Die meisten italienischen Teilnehmer erscheinen zum Granfondo wie aus dem Ei gepellt, mit blitzsauberem, optisch perfekten Rad und ebensolcher Radkleidung, die - wenn nicht die Vereinszugehörigkeit anderes erzwingt - stilistisch auf das Rad abgestimmt ist. Und an den rasierten Beinen erkennt man den Unterschied zwischen "Cicloamatore" und "Ciclosportivo" oder "Cicloturista".

Sicher kann man alles übertreiben, aber etwas Anpassung an die Art, wie in Italien Rad gefahren wird, kann nicht schaden. Mit einem Vereinstrikot oder einem neutralen Dress und farblich zueinander passenden Accessoires macht man nichts verkehrt. Rasierte Beine sind dagegen nicht jedermanns Sache. Beim "Gran Fondo Tappa della Leggenda" 2008 waren wir dennoch froh, dass aufgrund der niedrigen Temperaturen alle mit Beinlingen antraten. Sonst wären wir uns im zweiten Startblock, dem wir als "Challenge Gazzetta"-Starter zugeordnet wurden (obwohl wir da leistungsmäßig nicht wirklich reingehörten), mit unrasierten Waden leicht deplaziert vorgekommen. Die vorderen Plätze in der Startaufstellung überlässt man besser denen, die schnell aussehen...

Wie bei der Kleiderfrage sollte man auch sonst versuchen, sich an Kultur und Gebräuche des Gastlandes anzupassen - auch wenn diese vielleicht manchmal etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen. In den Touristik-Hochburgen und bei Großveranstaltungen mit hohem Ausländeranteil ist man sicher an Entgleisungen der Gäste gewöhnt. Aber bei kleineren Veranstaltungen irgendwo in der Provinz sollte man versuchen, nicht negativ aufzufallen - denn als Fremdkörper (oder wenn zu viele andere Fremdkörper dabei sind) lässt sich ein Granfondo nicht genießen. Wer nicht bereit ist, einer anderen Kultur, Land und Leuten mit Respekt zu begegnen und sich anzupassen, sollte besser daheim bleiben!

 

4. Die Kommunikation

Die Anpassung betrifft auch die Sprache. Soviel Italienisch, um sich während einer Tour in einer Bar irgendwo in der Provinz versorgen zu können, sollte jeder beherrschen, der in Italien mit dem Rad unterwegs ist. Dazu muss man keinen VHS-Kurs besuchen, korrekte Grammatik und Satzbau sind nicht unbedingt nötig. Die meisten Einheimischen freuen sich schon, wenn man mit ein paar Worten erklären kann, wo man herkommt und wo's hingehen soll.

Das gilt auch bei der Kommunikation mit anderen Radsportlern. Schon Robert Millar wusste: "Lerne in verschiedenen Sprachen zu fluchen. Andere Fahrer werden deine Bemühungen schätzen, zu kommunizieren." (aus "Rennfahrerblut ist keine Buttermilch - Das Buch der Radsportzitate" von Andreas Beune). Wer fragen kann, wie das Wetter wird, wie weit es noch bis zur Passhöhe ist oder rüberbringt, dass er gerade genauso leidet wie sein Gegenüber, kommt im Radfahrerleben weiter und gewinnt wenigstens etwas Ablenkung oder einen Begleiter für ein paar Kilometer - dem man zum Abschied hoffentlich "Gute Fahrt!" oder "Viel Glück!" wünschen kann. Gut kommt auch an, wenn man weiß, wie die korrekte Antwort auf den Wunsch "In bocca al lupo!" (das bedeutet soviel wie "Hals- und Beinbruch!") lautet - die findet man in kaum einem Wörterbuch.

Bei "mittleren" Granfondos (mit ca. 1.000 Startern) habe ich die Erfahrung gemacht, dass es zwar meist ein Reglement in Englisch gibt, aber vor Ort selten jemand Englisch spricht (oder sprechen will). Wenn es dann ein Problem zu lösen gibt - z.B. die kurzfristige Ummeldung von den "Cicloamatori" zu den "Ciclosportivi" - hilft es sehr, wenn man die wichtigsten Vokabeln auch in Italienisch parat hat. Sprachkenntnisse erleichtern vorab auch die Interpretation des Reglements, das nicht bei allen Granfondos identisch ist und deshalb vorab genau studiert werden sollte. Bei den größeren Veranstaltungen gibt es meist eine englische Version (eher selten auch eine deutsche), aber oft ist die Übersetzung etwas holprig und nicht immer klar, was genau gemeint ist.

Deshalb wird es auf mgf auch eine Wörterliste geben, mit Vokabeln für die Anmeldung und Teilnahme an einem Granfondo. Noch mehr helfen würde mein seit vielen Jahren geplantes Radsport-Wörterbuch "Italiano per ciclisti" - aber das wird wohl leider nie fertig...

 

Natürlich kann man sich auch ins Abenteuer Granfondo stürzen, ohne die obigen Empfehlungen zu befolgen. Aber wer es tut, ist für die Teilnahme an einem italienischen Granfondo besser gerüstet, besonders für die kleineren Veranstaltungen, bei denen kaum ausländische Starter zu finden sind. Und wird Teil des Spektakels, statt sich als Fremdkörper vorzukommen. Die Mühe, dafür diese "Hürden" zu überwinden, lohnt sich.

In diesem Sinne: In bocca al lupo!

 

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[Bild-Quelle:
F.C.I. Federazione Ciclistica Italiana]

 

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Tipp: Alle auf dem Weg zum Granfondo
nötigen formalen Schritte werden auf der
Übersichtsseite "Bürokratie-Fahrplan"
dargestellt. [Nachtrag 14.07.19]

 

 

 

 

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